Mülheim. Die Ruhrbahn hat in Mülheim viel Vertrauen verloren. Das neue Nahverkehrsnetz muss mit sieben Millionen weniger auskommen. Wie, ist noch offen.

Ein politisch gescheitertes „Netz 23“, Fahrtausfälle auf mehreren Linien trotz der Sommerferien und frustrierte Fahrgäste, die sich an den Haltestellen die Beine in den Bauch stehen. Auf der öffentlichen Fraktionssitzung der FDP war das die reale Bestandsaufnahme zum Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in dieser Stadt. Das bestätigte auch Peter Vermeulen. Als Gastreferent fand er klare Worte: „Die Ruhrbahn genießt in Mülheim nicht viel Vertrauen. Davon muss die Ruhrbahn ganz viel wieder aufbauen, das sie in den letzten Jahren verloren hat.“

„Das Netz 23 war ein sehr scharfes Papier“

Das von der Ruhrbahn gestrickte „Netz 23“ bezeichnete FDP-Fraktionsvorsitzender Peter Beitz als „ein sehr scharfes Papier, was große Resonanz gefunden hat. SPD und CDU haben sich sofort im Kleinklein verheddert.“ Aber Kämmerer Frank Mendack wolle sieben Millionen bis 2022 sparen. Keine leichte Aufgabe.

Bau- und Planungsdezernent Peter Vermeulen schilderte tägliche Beobachtungen bei der Ruhrbahn: „Wir haben leere Fahrzeuge einerseits und völlig überfüllte andererseits. „Vom ÖPNV der Zukunft ist Mülheim weit entfernt.“ Er zitierte auch Kämmerer Mendack: „Das ist der teuerste Laden, den wir haben. Da müssen wir Geld rausholen.“ Es gehe nicht darum, den ÖPNV kaputtzusparen. Vorrangig müssten neue Fahrgäste gewonnen werden. Das Defizit müsse auf 23 Millionen pro Jahr reduziert werden.

Wer Fahrten streicht, verliert Fahrgäste

„Streichen wir Fahrten und Linien, verlieren wir Fahrgäste. Das ist aber nicht die Frage unserer Zeit“, sagt der Dezernent. Das „Netz 23“ wollte Hauptachsen stärken und Nebenstrecken ausdünnen. Letztes habe die Ruhrbahn schon getan, erklärte Vermeulen. „Trotzdem kostet in Mülheim der ÖPNV immer noch doppelt oder gar dreimal so viel wie in vergleichbaren Städten.“

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Von Frank-Rainer Hesselmann

Ein Grund dafür seien topographische Gegebenheiten. Weitere der Ruhrtunnel mit drei Schienen- und Signalsystemen für U-Bahn, der Duisburger Linie 901 und der Straßenbahnlinie 102: „Hagen hat seine Straßenbahn abgeschafft.“ Auch bei der Mülheimer Straßenbahn seien nur wenige Abschnitte im jetzigen Zustand noch „bahnwürdig“. Die Kilometerkosten lägen deutlich über denen der Busse.

Der ÖPNV muss flexibler werden

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Der ÖPNV muss nach Meinung Vermeulens flexibler werden: „Verstärkung der Takte in der Hauptverkehrszeit und Anpassung der Takte in Schwach- und Nebenverkehrszeiten.“ Das müsse für ein neues Mülheimer Nahverkehrsnetz gelten. Er erwarte dafür klare Zahlen von der Ruhrbahn, „welche diese bisher nicht liefert. Wir müssen wissen, wie viele Fahrgäste zu welchen Zeiten auf den Strecken einsteigen.“

Bisher rechnet die Ruhrbahn mit einen „Vollkostensystem“. „Darin sind sind alle Personal-, Verwaltungs-, Tunnelunterhaltungs- und Werkstattkosten enthalten. Darum spart die Ruhrbahn, wenn sie komplette Strecken kappt. So fährt sie am tatsächlichen Bedarf in der Stadt vorbei“, argumentiert Vermeulen. Mülheim brauche ein bedarfsorientiertes Nahverkehrsnetz. Bis zur Kommunalwahl im Oktober 2020 sieht er dafür aber keine Chance.

Die FDP hat dazu noch einen Sprecher der Bürgerinitiative Tramvia eingeladen, die ihr eigenes Zukunftsnetz vorstellte. Thomas Kirchner erklärte: In vielen Städten erlebe die Straßenbahn gerade eine Renaissance. Daher wäre es ein fataler Fehler, Metrobusse statt Bahnen fahren zu lassen oder Haltestellen an Schienenstrecken zu streichen.

Die Ruhrbahn soll ihre Zahlen transparent machen

Kirchner bemängelte ebenfalls: „Um das Einsparungsziel von sieben Millionen Euro zu kalkulieren, fehlen öffentlich zugängliche Zahlen von der Ruhrbahn.“ Tramvia möchte die Straßenbahnlinien behalten und einen Ringbus etablieren. Damit sei innerhalb von maximal 35 Minuten jede Haltestelle erreichbar. Es gebe mehrere Umsteigemöglichkeiten zur Straßenbahn, die in die Stadtmitte oder in die Stadtteile fahren. Im Tramvia-Netz würden Bahnen und Busse einheitlich im 15-Minuten-Takt fahren.

Mit dem Ringbus konnte sich auch Peter Beitz anfreunden. „Die Schienen liegen bereits, und wir müssen das System verschlanken.“ Peter Vermeulen erwartet von der Ruhrbahn, dass diese „differenzierte Zahlen transparent und öffentlich macht“. Der Sparbeschluss sei einzuhalten. Darum sollten alle Mülheimer am neuen ÖPNV-Netz für die Stadt mitwirken.