Mülheim. Die Sorge um Nachfolger wächst bei den Chefs in Mülheims Unternehmen. Kurt Hoffmann hat drei Jahre gesucht – und die Hoffnung fast aufgegeben.

Kurt Hoffmann ist selbstständig, hat vor 16 Jahren seine gleichnamige Firma für Stahlerzeugnisse in Mülheim-Heißen gegründet. Sein Beruf macht dem 71-Jährigen Spaß, er hängt an der Arbeit. Trotzdem fängt er irgendwann 2016 – einige Monate vor seinem 70. Geburtstag – damit an, über die Zukunft nachzudenken. Ein langer Weg beginnt, mit Sorgen und Zweifeln. Gibt es überhaupt einen geeigneten Nachfolger, fragt er sich in Jahren der Suche.

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„Die Verantwortung der Selbstständigkeit will eigentlich fast keiner übernehmen, weil sie so hoch ist. Man muss immer hellwach sein, hat keine Zeit für Urlaub“, sagt Hoffmann. Das merkt er in offenen Gesprächen mit Bekannten, die er – zuerst als Außendienstler für eine andere Firma – seit vielen Jahren, teils Jahrzehnten kennt. Bis zum Frühjahr 2019 spricht er mit zahlreichen Leuten, ohne Erfolg. „Ich bekam absolute Zweifel, irgendwann hatte ich nur noch wenig Hoffnung“, erinnert sich der Geschäftsführer.

Einen Alternativplan gibt es nicht

Einen richtigen Alternativplan gibt es nicht. Und eigene Kinder, die vielleicht potenzielle Nachfolger wären, hat er nicht. Hoffmann: „Ich hätte bestimmt noch einige Jahre weitergemacht und trotzdem weiter Leute angesprochen.“ Aber auch wenn ihn die Arbeit jung und fit hält, ewig geht es so nicht weiter.

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Die Schilderung von Kurt Hoffmann ist kein Einzelfall. „Immer mehr Selbstständige klagen über Probleme, geeignete Nachfolger für ihr Unternehmen zu finden“, sagt eine Sprecherin der Industrie- und Handelskammer (IHK). Das belegt die IHK mit einer jetzt veröffentlichten Studie mit Zahlen aus dem Jahr 2017. Demnach steht in ganz Nordrhein-Westfalen in den kommenden zehn Jahren in rund 65.000 Familienunternehmen mit 1,2 Millionen Mitarbeitern eine Übergabe an.

Geschäftsführer werden immer älter

Der Grund dafür sei, dass die Zahl der Geschäftsführer, die über 60 sind, innerhalb von fünf Jahren deutlich gestiegen ist – von 16,5 auf 21,5 Prozent. Der Anteil und damit die Zahl der Familienunternehmen mit Nachfolgesorgen dürfte laut IHK in den kommenden Jahren im ganzen Bundesland deutlich steigen. Allein 33 Prozent der Firmeninhaber seien derzeit zwischen 45 und 55 Jahren. Gesonderte Zahlen für Mülheim hat die IHK nicht, die Anteile dürften laut Sprecherin aber ähnlich sein.

Nachfolgesorgen bei Unternehmen: Ergebnisse der IHK-Studie

Der Anteil der Selbstständigen in NRW, die älter als 60 Jahre sind, wächst laut IHK-Studie. In 2017, dem Jahr des letzten Zensus, lag er bei 21,5 Prozent, im Jahr 2012 erst bei 16,5 Prozent.

Zudem beschleunige sich die Alterung: 270.000 (33 Prozent) der 813.000 Selbstständigen in NRW waren im Jahr 2017 zwischen 45 und 55 Jahren alt. Sie werden in den kommenden Jahren den Anteil der über 60-jährigen Selbstständigen weiter erhöhen.

Insgesamt werden im Jahr 2029 rund 265.000 Unternehmen mit etwa 1,5 Millionen Mitarbeitern von der Nachfolgeproblematik betroffen sein, so die Studie weiter.

Kurt Hoffmann hat nach drei Jahren einen Nachfolger gefunden. Nach und nach wird die Mülheimer Firma Thos für Stahlhandel und Transporte seine Kunden übernehmen. „Wir haben die Firma lange beliefert und so viele Jahre zusammen gearbeitet. Im Gespräch wurde ich gefragt, wie lange ich wohl noch arbeiten möchte“, erzählt Hoffmann. So berichtete der Unternehmer von seinen Nachfolgesorgen. Nach einigen Gesprächen entschieden sich die beiden Betriebe für den Schritt. „Ich habe mich riesig gefreut, eine zuverlässige Firma gefunden zu haben, das ist mir sehr wichtig.“

„Kann und will natürlich nicht direkt aufhören“

Innerhalb der kommenden zwei Jahre möchte Hoffmann seine rund 50 Kunden, die aus dem gesamten Ruhrgebiet kommen, an die Firma übergeben. Nach und nach. „Ich kann und will natürlich nicht von heute auf morgen aufhören. Das geht auch gar nicht, weil ich jahrzehntelange Verbindungen habe.“ Trotzdem ist er froh, nach und nach in den Ruhestand gehen zu können.

Kurt Hoffmann hat nach drei Jahren eine Sorge weniger – ein Nachfolger für sein Unternehmen ist gefunden. Ein Glücksfall. Denn, so belegen es die Zahlen, vielen Firmen wird es künftig wohl anders gehen. „Sie werden in den kommenden zehn Jahren ihren Betrieb einstellen müssen“, bedauert die IHK.