Mülheim. Vernissage am Sonntag in der Mülheimer Ruhrgalerie zeigt das Schaffen von Dörthe Speetzen. Warum ihre abstrakten Landschaften voller Poesie sind.

Auf den ersten Blick schon entpuppt sich das ganze Chaos aus fliegenden Blättern und Baumstümpfen, das der verheerende Pfingststurm ‘Ela’ 2014 hinterließ. Die Künstlerin Dörthe Speetzen hielt die auf den Kopf gestellte Welt in dicken impulsiven Tuschestrichen auf 20 Skizzen fest. Gemalt mit den Aststümpfen, die die Mülheimerin nach der Katastrophe vor Ort fand.

Das Abstrakte öffnet den Raum für das eigene Forschen

Für ihre Ausstellung in der Ruhrgalerie sind die einzelnen Szenen zu einer atemraubend turbulenten Collage zusammengefasst, die das Auge noch einmal in den irren Wirbel zu stürzen scheint. Dabei bleibt Natur ein zentrales Thema im Schaffen der Künstlerin, die gleichzeitig erfrischend wenig figürlich oder naturalistisch arbeitet. Oft deuten nur ein vager Horizont, das Spiel der Farben und die mutierenden Verläufe überhaupt an, dass es sich um Landschaften handeln könnte. Das öffnet die Räume für das eigene Erforschen ihrer Werke.

Ihre abstrakten Naturräume vermitteln eine Poesie ohne schmalzig zu sein. Die Emotion, die Speetzen als präzise und beteiligte Beobachterin etwa auf ihrer Reise durch den Vietnam ergriffen hat, hielt sie in pastelligen Rot- und Grün-Tönen fest. Arbeiter auf dem Reisfeld gehen in diesem abstrakten Gemälde „Cecily über dem Wolkenpass“ fragmenthaft auf. „Ich habe mich bei den Menschen dort geborgen gefühlt“, sagt Speetzen – und machte nicht nur ihre Erfahrung erfahrbar, sondern spielt zugleich auf ihre künstlerische Begeisterung für die britische Malerin Cecily Rose Brown an.

Bilder entstehen nach ihrem inneren Plan – wie eine Pflanze

„Ich suche nicht, ich finde“: Speetzens ‘Landschaften’ sind nur angedeutet, sie lassen dem Betrachter Raum zur eigenen Erforschung.
„Ich suche nicht, ich finde“: Speetzens ‘Landschaften’ sind nur angedeutet, sie lassen dem Betrachter Raum zur eigenen Erforschung. © FUNKE Foto Services | Tamara Ramos

„Meine Bilder entstehen wie eine Pflanze – nach einem inneren Plan, weil sie gemalt werden sollen“, erläutert die Mülheimerin, die als Kunstpädagogin gelernt hat, wie Bilder aufgebaut und historisch einzuordnen sind. Das Analytische aber hat Speetzen als Künstlerin ein Stück weit zugunsten einer unbekümmerten Spontanität abgelegt.

Der Wille zur Freiheit hat auch die Wahl der Bilder für die Ausstellung in der Ruhrgalerie bestimmt: Sie zeigt ein sehr persönliches ‘Best of’ aus dem bisher achtjährigen Schaffen. Dazu zählen auch Collagen aus dem vergangenen Jahr, die Speetzen aus Fetzen von Plakatwänden und Schrift erstellte. „Explanation Mark“ hat sie das Collagen-Duo genannt. Ähnlich arbeitet die Serie „Wunderbare Nacht“ mit Fundstücken aus dem Alltag: bedrucktem Papier, Fotos. Sie zeigt Szenen, Beziehungen zwischen schillernden, fantastischen Figuren. Auch mit Bitumen hat die Künstlerin experimentiert.

Vernissage für Projekt Ein-Dollar-Brille

Den Sinnspruch Leonardos hat Dörthe Speetzen für ihre Ausstellung übernommen: Ein Teil des Erlöses aus dem Bilderverkauf will sie für das Projekt „Ein-Dollar-Brille“ spenden. Das Projekt stellt bezahlbare Brillen für sehr arme Menschen her. Laut WHO können sich 700 Mio. Menschen keine Brille leisten.

Die Vernissage beginnt am Sonntag, 18. August, um 16 Uhr. Eintritt frei. Weitere Besuchszeiten vom 19. bis 31. August: Di.-Fr.: 10.30-12.30 Uhr, Sa./So. 12-17 Uhr. Nach Vereinbarung: 0157 3629 5489

Damit legt sie sich jedoch weder auf eine Form oder Technik noch auf einen Inhalt fest – „ich suche nicht, ich finde“, kommentiert Speetzen und will die Vielfältigkeit und Leichtigkeit in ihrer Kunst behalten. Der Titel ihrer Vernissage ist deshalb sinnbildend: „Den Karren an einen Stern binden“, zitiert die Anfang 60-Jährige einen Spruch, der Leonardo da Vinci zugeschrieben wird. „Leonardo hat eine schöne Metapher geschaffen: Wenn man seine Arbeit an ein gutes Ziel knüpft, fällt die Mühe leicht.“