Mülheim. Mülheims Viktoriaplatz war einst Treffpunkt für Verspafahrer. Daran erinnern sich Leser. Heute ziert ein umstrittener Brunnen den Platz.
Parkplatz, Verkaufsbude, Zebrastreifen. Einige Leser haben den ehemaligen Viktoriaplatz erkannt. Heute wird die Fläche im Stadtplan als Synagogenplatz bezeichnet. Von der ehemaligen Struktur mit zahlreichen Geschäften und Schaufenstern ist nicht mehr viel geblieben.
Die Fassaden auf der linken Seite des Platzes (von unten gesehen) haben sich komplett verändert. Auf der rechten Seite ist die Stadtbücherei neu entstanden. Nur der markanten Bau vor Kopf ist geblieben. Damals war die Hauptpost eine wichtige Anlaufstelle der Mülheimer. Nach Umbau und Erweiterung zog das Kunstmuseum in die denkmalgeschützten Gebäude ein. Gerade werden sie erneut für die Kunst saniert – vor allem die Klimatechnik.
Ihre Erinnerungen und alten Fotos sind gefragt
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Nun ein Sprung zurück in frühere Jahrzehnte. Einen Rundgang über den alten Viktoriaplatz bietet Dieter Falkenburg an: „Ich hoffe, dass ich Ihnen etwas helfen kann. Von rechts angefangen: Da steht zuerst der Neubau des Rüterhauses mit Schuhgeschäft Rüter. Erstelldatum circa 1959-1962, Elektroanlagen Lange KG. Dahinter das Lichtspieltheater Schauburg. Weiter folgt das Gebäude der Vereinsbank, Erstelldatum circa 1959-1962, Elektroanlagen Lange KG“, schreibt der Mülheim-Kenner.
Als Nummer 4 bezeichnet er die Hauptpost. Links auf der Ecke steht das Bekleidungshaus Mensing und Brenningmeyer. „Der Parkplatz auf dem Viktoriaplatz war damals Treffpunkt der Vespafahrer“, schreibt Falkenburg. „Dieser Parkplatz wurde Mitte der 1970er Jahre durch den Bau der darunterliegenden Tiefgarage ersetzt und von dem Künstler Otto Herbert Hajek mit dem Brunnen (1976/77) umgestaltet.“
Die Brunnenplastik „mit Galgen“ ist unter den Mülheimern nach wie vor umstritten. Viele meinen, sie sei zu groß für den Platz. Kenner ordnen das Werk als „Stadtikonographie mit Stadtzeichen, Sitzlandschaft und Brunnenanlage“ ein. Unser Leser meint, mal gehört zu haben, dass „die Stadtverwaltung eine erneute, zeitgemäße Umgestaltung dieses Platzes in Erwägung gezogen hatte, aber vom Künstler oder dessen Erben auf eine Vertragsbindung von 60 Jahren hingewiesen wurde“.
Das kaiserliche Postamt am Viktoriaplatz
„Die Karte zeigt das kaiserliche Postamt am Viktoriaplatz. Meine Eltern haben 1949 einen Buch- und Zeitschriftenhandel in Mülheim eröffnet, auch einen Kiosk auf der Schloßstraße am heutigen Rieken-Haus“, schreibt Gerd-Wilhelm Scholl. „Jeden Morgen musste jemand aus der Familie zur Hauptpost, um Zeitungen, Illustrierte, Radiozeitungen und alles, was jede Woche angeliefert wurde, dort abholen. Nur für die Tageszeitungen galt das nicht. Dabei wurde ein Teil der Ware im Postamt am Viktoriaplatz, Pakete an der Paketpost an der Bahnstraße abgeholt“, erinnert sich der Leser.
Umgebaute Telefonzelle als Zeitungskiosk
Remittenten (Warenrückgaben) wurden entweder als Briefe oder Pakete an die Verlage zurückgeschickt. Aus diesem Grund war die Hauptpost für unseren Kiosk sehr wichtig. Sie lag auch sehr verkehrsgünstig in der Innenstadt und war außerdem mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen“, schreibt Scholl.
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„Da wir auf der Pestalozzistraße in Broich wohnten, konnten wir alle zehn Minuten mit der Linie 8 oder 18 direkt bis zum Viktoriaplatz fahren. Mein Onkel Karl hatte neben dem Haupteingang der Post eine umgebaute Telefonzelle als Zeitungskiosk. Später musste er in die Schloßstraße umziehen, als der Viktoriaplatz umgebaut wurde.“
Die Schauburg bot damals immer die neuesten Filme
Gerd-Wilhelm Scholl bestätigt Dieter Hardenburg: „Auf dem Foto sind links das Bekleidungshaus Mensing & Brenningmeier (M&B), auf der rechten Seite das Rüterhaus, die Schauburg (Kino) und das Bekleidungshaus Pril zu sehen. Daneben entstand später noch ein moderner Bau, der den Turm der Hauptpost verdeckte und das Gesamtbild verschandelte.“
„Ich erlernte ab Anfang der 1950er Jahre in der Konditorei Schliesing in Broich den Beruf des Konditors. Mein Meister kannte die Familie Pril, die am Waldschlösschen eine Villa bewohnte, sehr gut. Ich musste als Lehrling oft Ware zu den Prils liefern“, erinnert sich der Leser. „Die Schauburg war zu dem damaligen Zeitpunkt das modernste Kino in Mülheim und bot immer die neuesten Filme an.“