Mülheim. Erschreckend: Jährlich verschwinden bis zu sieben Prozent der Insekten. Was sich dagegen tun lässt, erfuhren Gäste einer Baumwatch-Veranstaltung.

Insekten benötigen ihren besonderen Lustgarten. Die herkömmlichen Flächen mit ordentlich zurecht geschnittenen Pflanzen bieten ihnen nämlich nur wenig Grund zur Freude. Diesen Zustand zu ändern, hat sich die Initiative Baumwatch zur Aufgabe gemacht und lud am Samstag zu ihrer ersten großen Informationsveranstaltung in die Dezentrale.

Unter dem Motto „Unsere Stadt erblüht – gemeinsam!“ kamen rund 40 Interessierte zusammen und ließen sich über eine insektenfreundlichere Grünflächengestaltung beraten. Im Mittelpunkt der Veranstaltung standen zwei Vorträge: Der Diplom-Ökologe Helmut Kessler beschrieb den Zustand der Insektenpopulation und erklärte die Ursachen für deren Reduktion. Im Anschluss gab Susan Findorff vom Verein „Naturgarten“ praktische Tipps zur Gartengestaltung.

Jährlich verschwinden fünf bis sieben Prozent der Insekten

In Deutschland gibt es 33.000 verschiedene Insektenarten, die einen Anteil von 70 Prozent an allen hier lebenden Tieren ausmachen, klärt Kessler auf. 2017 wurde in einer Studie festgestellt, dass die einzelnen Arten einen Rückgang von bis zu 75 Prozent zu verzeichnen haben. In Biomasse ausgedrückt, verschwinden jährlich 5-7 Prozent der Insekten. „Diese Zahlen können einen nicht kalt lassen“, sagt der Ökologe.

Eine Konservendose reicht aus, um den Vögeln zu helfen

Informationen, wie man selbst etwas zum Erhalt der Insekten tun kann, gibt es unter www.naturgarten.org.

Die Mülheimer Initiative Baumwatch trifft sich monatlich in der Dezentrale. Die genauen Termine sind zu finden im Internet: www.baumwatch.org.

Baumwatch plant als weitere Veranstaltung in nächster Zukunft einen Workshop zum Bau von Nisthilfen, für die bereits eine kleine Konservendose ausreichen kann, anzubieten.

Die Besucher lässt so etwas auch nicht kalt. Brigitte Kleine tut einiges, um dem Insektensterben Einhalt zu gebieten: In ihrem Hausgarten hat sie ein Beet angelegt mit Königskerzen, Kornblumen, Klatschmohn und Borretsch. „Die Bienen und Schmetterlinge kommen jetzt in größerer Zahl“, berichtet sie. „Das Summen zu hören, erfreut mich sehr.“ Aktiv arbeitet sie zudem im Biogarten der VHS mit: „Der ist ein Vorbild für naturnahes Grün.“ Leider sei die Oase an der Bergstraße vielen Menschen noch zu wenig bekannt: „Dabei kann man bei uns viele Inspirationen zum Anbau heimischer Pflanzen, die dem Insektenschutz dienlich sind, bekommen.“

„Exoten haben in einem Naturgarten nichts zu suchen“

Das entspricht ganz den Vorstellungen von Susan Findorff: „Exoten haben in einem Naturgarten nichts zu suchen, denn sie sind für unsere Insekten nutzlos.“ Artenvielfalt sei nur durch heimische Wildpflanzen zu erreichen. Ein weiterer Fokus sollte auf die Gestaltung von Funktionsflächen wie Wege, Plätze, Mauern oder Dächern gelegt werden: „Die kann man so gestalten, dass sie für Pflanzen und Tiere einen Lebensraum bieten.“ Statt Beton oder Pflastersteinen für die Wege zum Beispiel Sand, Kies oder Rindenmulch benutzen.

Vielfach stoßen die Bemühungen einen Naturgarten zu errichten auf Ablehnung. Rita Nemeth besuchte die Veranstaltung vor allem, um Argumentationshilfen zu bekommen: „Ich lebe in einem Mehrfamilienhaus mit einem 600 qm großen Garten, in dem keine Blumen blühen und kein Bienen sind.“ Sie möchte sich bei Mitmietern und Vermieter für eine Blumenwiese stark machen.

Melanie Wolters von „Baumwatch“ hat vor der Dezentrale ein Hochbeet in Patenschaft übernommen und mit Wildpflanzen eine kleine blühende Wiese mitten in die Stadt gepflanzt.
Melanie Wolters von „Baumwatch“ hat vor der Dezentrale ein Hochbeet in Patenschaft übernommen und mit Wildpflanzen eine kleine blühende Wiese mitten in die Stadt gepflanzt. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Die Stadt freut sich über Paten

Andere interessieren sich für Patenschaften öffentlicher Grünflächen. Viola Hausmann würde sich gern um das Grün an Straßen oder Plätzen kümmern. Vor zwei Jahren ist sie von Essen-Heisingen nach Mülheim gezogen: „Im Vergleich zu meinem früheren Wohnort ist es wirklich schlimm, was man hier an Grünanlagen sieht.“

Melanie Wolters von Baumwatch weiß, dass die Stadt sich über Paten freut. Allerdings müssen auch Vorgaben hinsichtlich Wuchshöhe und Verkehrssicherheit beachtet werden. Sie selbst hat vor der Dezentrale ein Hochbeet in Patenschaft übernommen und mit Wildpflanzen eine kleine blühende Wiese mitten in die Stadt gepflanzt.