Mülheim. Notwendige Stellen für Inklusion an Grundschulen sind nur zur Hälfte besetzt. Der Markt ist leergefegt, es ist nicht genügend ausgebildet worden.
An den Mülheimer Schulen fehlen weiterhin ausreichend Sonderpädagogen. 13 von 45,7 Stellen an den weiterführenden Schulen (Sek I) sind noch immer nicht besetzt, an Grundschulen und Kitas sind es gut die Hälfte der benötigten 27,75 Stellen. Ein Grund: Obwohl die Fachkräfte fehlen, ist der Beruf für Quereinsteiger nicht attraktiv, weil mit teils hohen Hürden versehen.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft ist alarmiert über den niedrigen Stand, denn ohnehin sei der von der Bezirksregierung beschlossene Stellenschlüssel ungenügend für die Umsetzung der Inklusion.
„Der Bewerbermarkt ist leergefegt“
„Ursprünglich waren seitens des Ministeriums 0,5 Stellen pro Zug einer Schule des Gemeinsamen Lernens angedacht – in Mülheim also für alle 22 Grundschulen““, sagt Andrea Schindler aus dem Leitungsteam des GEW-Stadtverbandes Mülheim. Dieses Ziel werde nicht erreicht werden können, „Stellenausschreibungen für Sonderpädagogen laufen schon lange regelmäßig leer, der Bewerbermarkt ist leergefegt“.
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Der Grund für die Ebbe? „Es wurde vor Jahren versäumt, Stellenbedarfe festzustellen und für genügend Ausbildungsmöglichkeiten zu sorgen“, kritisiert die GEW. Dabei steigt die Zahl der Mülheimer Schüler, die auf sonderpädagogische Unterstützung angewiesen sind, seit vielen Jahren insgesamt deutlich.
Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung ist gestiegen
Aktuell geht die Stadt von 208 Schülern (2017: 169) mit solchem Bedarf an Grundschulen und Kitas aus, sogar 364 (2017: 339) sind es an den Gesamtschulen, Realschulen und Gymnasien. Hinzu kommen noch gut 52 Fälle, in denen noch pädagogische Gutachten zur Klärung eines Bedarfs erstellt werden müssen.
Das ist zwar ganz im Sinne der Inklusionsbestrebungen, an denen in Mülheim auch die Gymnasien beteiligt sind – anders als die meisten Gymnasien in Oberhausen und Duisburg. Etliche Mülheimer Schulen müssen sich allerdings die vorhandenen Fachkräfte teilen. Insbesondere schwierig ist dies für die wichtige Beziehungsarbeit.
Mehr Arbeit für alle Sonderpädagogen
Neuordnung der Inklusion
Ebenso fehlten nicht nur Vorgaben zur Personal- und Organisationsstruktur inklusiv arbeitender Schulen, sondern auch eine systematische Unterstützung der einzelnen Schulen. Eine Neuordnung der Inklusion hat das Land angekündigt.
Schindler: „Wir sehen die neuen Weichen falsch gestellt, es fehlt auch an Rechtsverbindlichkeit, beispielsweise bei der Schüler-Lehrerrelation und bei den Klassenbildungswerten.“
Die GEW fordert kleinere Klassen und eine Doppelbesetzung für die Inklusion.
Das Mülheimer Beispiel macht das deutlich: Für drei betroffene Schüler an der Heinrichstraße ist ein Stellenanteil von 0,07 angesetzt, für 14 Schüler am Lierberg 1,21, an der Gemeinschaftsgrundschule Styrum beträgt er 2,52 Stellen.
Wenn eine Sonderpädagogin, die mit einer Halbtagsstelle 14 Stunden unterrichtet, auf verschiedene Schulen verteilt wird, könne man nicht mehr von Beziehungsarbeit sprechen, glaubt Schindler.
Im vergangenen Bildungsausschuss, wo die aktuellen Zahlen der Politik vorgelegt wurden, reagierte diese verärgert: „Jedes Mal müssen wir im Bericht lesen, dass Stellen nicht besetzt werden – das bedeutet auch mehr Arbeit für alle anderen Sonderpädagogen“, kritisierte CDU-Sprecher Heiko Hendriks.
Hohe Hürden für Quereinsteiger
Mathias Kocks (SPD) machte die Hürden für „Quereinsteiger“ mitverantwortlich, also solche, die als Lehrkräfte bereits ausgebildet sind, aber sich in der Sonderpädagogik qualifizieren wollen. Diese seien für Schulen derart hoch, dass sie gleich einen ausgebildeten Sonderpädagogen einstellen können. Wie dramatisch die in Mülheim fehlenden Stellen im Vergleich zum Land sind, wollte Eva-Annette Klövekorn (MBI) wissen. Sie liegen im Landesdurchschnitt, so die Verwaltung.
Doch selbst die Angaben über besetzte Stellen sind trügerisch: Einige dieser Lehrkräfte stehen den Schulen nicht zur Verfügung, da sie gerade in Elternzeit sind, weiß Schindler: „Also ist die tatsächliche Personalausstattung noch geringer.“ Das Dilemma wird dabei nur selten sichtbar: Wenn die Betreuung für Kinder mit sonderpädagogischen Bedarf aus Lehrermangel nicht da ist, falle das jedoch nicht als Unterrichtsausfall auf, gerade weil die Kinder gemeinsam in einer Regelklasse lernen.