Mülheim. Vermeintliche Tierschützer haben die Katze einer Mülheimer Familie einschläfern lassen – ohne Zustimmung. Halterin: Abschied wurde uns genommen.
Wenn Rita Sattler über ihre Katze Lucy spricht, kann sie die Tränen kaum noch zurückhalten. „Wir wussten, dass uns nicht mehr viel Zeit mit ihr bleibt. Aber wir wollten uns verabschieden, die letzte Zeit genießen“, erzählt sie. „Das ist uns genommen worden.“ Vermeintliche Tierschützer haben die Katze mitgenommen und in einer Tierklinik einschläfern lassen.
Dass Lucy von Altersschwäche gezeichnet war, ist Rita und Reinhard Sattler schon lange bewusst gewesen – das schwarze Fell glänzte nicht mehr so schön und am linken Auge bildete sich im letzten Jahr ein Geschwür, zum Glück unbedenklich. In den letzten zwei Wochen von Lucys Leben kam ein Abszess am seitlichen Rücken hinzu. Nach der tierärztlichen Behandlung blieb eine Wunde zurück, die dank Antibiotika gerade anfing, zu verheilen.
Tote Katze: Eine Einschläferung war schon absehbar
„Die Tierärztin hat gemerkt, dass Lucy schwer atmet. Wenn sie anfängt zu röcheln, sollten wir sie zum Einschläfern zurückbringen“, erinnert sich Reinhard Sattler. Von da an warf Rita Sattler – noch mehr als sonst – ein Auge auf den Liebling der Familie: „Ich bin nachts aufgestanden, habe nach ihr gesehen und auch sonst immer geschaut.“
So auch am späten Nachmittag des vergangenen Donnerstags, als Ingrid Rathmann vom Tierschutzverein bei Familie Sattler vor der Tür stand.
Sie sei über eine Katze in sehr schlechtem Zustand mit einer tennisballgroßen Wunde informiert worden, die voller Fliegenmaden sei. Als Beauftragte des Tierschutzvereins für Katzen habe sie nach dem Rechten gesehen. „Mein Eindruck war, dass die Katze sehr gut umsorgt war“, erklärt Rathmann auf Anfrage. „Dass eine 18 Jahre alte Katze nicht mehr topfit ist, ist normal.“
Vermeintliche Tierretter organisieren sich über Facebook
Kaum eine Stunde später erschien eine andere Frau bei den Sattlers, sie stellte sich als Frau Paulsen vor und warf dem Ehepaar ohne weitere Umschweife mangelnde Pflege ihrer um den Tod kämpfenden Katze vor. In den sozialen Netzwerken laufe ein Chat, in dem eine Aktion zum Einfangen der Katze geplant sei.
In der Facebook-Gruppe „Rund ums Tier im Ruhrpott“ schreibt eine Nutzerin etwa von einer verletzten Katze und nennt dabei die Anschrift der Familie Sattler – dort sei das Tier zu finden. Sie selbst sei gerade arbeiten, könne deshalb nicht eingreifen. Andere Nutzer bieten ihre Hilfe an, schließlich teilt eine weitere Nutzerin mit: „Katze gesichert, auf dem Weg in die Klinik.“. Wenig später schreibt sie: „Wir konnten die Katze nur erlösen. Prima ihr Tierschützer.“
„Mein Gefühl sagte mir da schon, dass es zu spät ist“
Indes erfuhren Reinhard und Rita Sattler von ihrer Besucherin Frau Paulsen, dass Tierretter ihre Katze in eine Tierklinik nach Duisburg gebracht haben. „Im Nachhinein kommt mir das wie ein perfider Plan mit einem Ablenkungsmanöver vor“, sagt Reinhard Sattler.
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Böses ahnend fuhr er mit seiner Frau in die Tierklinik nach Duisburg-Kaiserberg. Dort erfuhr das Ehepaar, dass Lucy in die Tierklinik Duisburg-Asterlagen gebracht wurde. „Mein Gefühl sagte mir da schon, dass es zu spät ist“, erzählt Rita Sattler. Nach einem Anruf in der anderen Tierklinik wurden die schlimmsten Befürchtungen bestätigt: Lucy wurde eingeschläfert.
Katze war nicht gechippt oder tätowiert
Tim Gröber, der verantwortliche Tierarzt, erklärt im Gespräch mit dieser Redaktion: „Der Zustand des Tieres war aus tierschutzrechtlicher Sicht so schlecht, dass eine Einschläferung notwendig war.“ Da die Katze nicht gechippt oder tätowiert war – wie es in Mülheim eigentlich Pflicht ist – und ihm als herrenloser Streuner vorgestellt wurde, habe er das Tier ohne Rücksprache eingeschläfert. „Hätte ich von den Besitzern gewusst, hätte ich ihnen zu einer Einschläferung geraten“, erklärt Gröber.
Rita Sattler ist trotz aller Trauer nicht nachtragend: „Ich mache dem Arzt keinen Vorwurf.“ Sie möchte andere Katzenhalter nur vor der Skrupellosigkeit vermeintlicher Tierschützer warnen: „Wenn wir davon gewusst hätten, wäre uns mehr Zeit mit Lucy geblieben.“