Mülheim. . Weg mit dem Plastik: Für drei junge Frauen fängt eine Welt ohne Plastik in Mülheim an. Doch dazu braucht es noch etwas ganz Entscheidendes.
Ein Mülheimer, ein Jahr, 38 Kilogramm Plastikmüll. Plastik überall – im Boden, in der Luft, im Wasser. Mit dem „Plastikatlas 2019“ liefern der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) und die Heinrich-Böll-Stiftung ganz aktuell aufrüttelnde „Daten und Fakten über eine Welt voller Kunststoff“. Gibt es Hoffnung?
Vielleicht, denn im Kleinen soll schon bald etwas Großes entstehen: Es gibt sie, Menschen aus Mülheim, genauer drei Frauen aus Mülheim, die handeln werden. Gegen Plastik, für mehr Nachhaltigkeit. Für sie gelten keine Ausreden mehr. Erst recht nicht in diesen grünen Zeiten! Ariane Gerke und Jana und Lara Weyers wollen im Herbst Mülheims ersten Unverpackt-Laden eröffnen. Der wunderbar passende Titel zum Shop in einer Ruhrgebietsstadt: „Püngel & Prütt“.
Dabei hätten sich die drei jungen Frauen keinen besseren Zeitpunkt aussuchen können, um ihr Lebens-Projekt an den Start zu bringen. Alle Welt redet von Greta Thunberg, unzählige Schüler folgten ihr bei den Schulstreiks für das Klima, bei der Europawahl erreichen die Grünen in Deutschland 20,50 Prozent der Stimmen, so viel wie noch nie bei einer Wahl zuvor.
Daher kommt der Name von „Püngel & Prütt“
Die beiden Begriffe „Püngel“ und „Prütt“ kommen aus dem Ruhrgebiet. Püngel bedeutet so viel wie Bündel oder Tragebeutel, den Prütt kennen viele als Bezeichnung für Kaffeesatz.
Wer sich weiter informieren möchte, kann das auf der Homepage von Püngel & Prütt tun: puengel-pruett.de. Auch auf Facebook und Instagram sind die drei Gründerinnen mit ihrem Projekt zu finden.
Zur Crowdfunding-Kampagne geht es über startnext.com/puengel-pruett.
Diese grüne Liste, sie ließe sich fortsetzen und fortsetzen und fortsetzen... Jana Weyers spricht aus, was viele denken: „Wir alle haben eine gesellschaftliche Verantwortung“, appelliert die 23-Jährige. Und die junge Frau, die sich bei Greenpeace engagiert, fügt hinzu: „Wir machen nun etwas, für das wir zu 100 Prozent aufstehen können.“ Denn schließlich will das grüne Trio „die Leute mitziehen und motivieren“. Keine Ausreden.
Zu Mülheims erstem Unverpackt-Laden soll es auch ein Low-Waste-Café geben
„Mit unserem Konzept wollen wir das große Thema Plastikvermeidung an möglichst viele Menschen herantragen“, erklärt auch Ariane Gerke. „Wir möchten weg von den Wegwerf-Artikeln, wollen erreichen, dass die Menschen schon die einfachsten Sachen bewusst konsumieren“, erläutert Lara Weyers. Sie arbeiten nun schon seit mehreren Monaten an eben diesem Konzept, investieren Zeit, Geld, vor allem eine ganze Menge Herzblut in diese eine, diese erste Möglichkeit, das Einkaufen in Mülheim verpackungsfrei zu gestalten. Zu diesem Konzept gehört auch, angeschlossen an den Laden, ein Low-Waste-Café. Darüber hinaus wollen die drei Mülheimerinnen unterschiedliche Workshops zum Thema Nachhaltigkeit anbieten.
„Unser Ziel ist, einen Ort zu schaffen, an dem man sich aufhalten und austauschen kann“, sagt Ariane Gerke. Ein zentraler Ort gegen Plastik, für mehr Bewusstsein, der noch dazu die Innenstadt beleben könnte. Wo genau es sie hinziehen wird, das möchten die Drei allerdings noch nicht verraten. Es wird aber in jedem Fall ein Lokal in der City sein. „Wir befinden uns derzeit in enger Abstimmung“, schreiben die Frauen auf der Facebook-Seite von Püngel & Prütt.
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Die größte Beratung gab es von anderen Unverpackt-Läden
Am Anfang, als sie nachdachten und durchdachten, was bald entstehen soll, haben sie noch „recherchiert ohne Ende“. Da waren Riesen-Fragezeichen überall. „Die größte Beratung und Unterstützung gab es von anderen Unverpackt-Läden“, erklärt Jana Weyers. Dazu umgibt die Gründerinnen ein „starkes Netzwerk“, mit vielen Menschen an ihrer Seite, die Erfahrung in den Bereichen Veranstaltungsplanung und Gastronomie haben. Immer wieder, und darüber freuen sie sich jetzt schon sehr, „sind wir mit unserer Idee auf positive Resonanz gestoßen“, berichtet die 24-jährige Ariane Gerke.
Positiv laufen soll es für die Drei auch mit ihrer Crowdfunding-Kampagne. Um Püngel & Prütt überhaupt wahr werden zu lassen, „fehlen noch 25.000 Euro an Startkapital“, sagt Lara Weyers (26). Auf der Seite startnext.com im Internet können Unterstützer für das Projekt spenden, „ein entscheidender Ankerpunkt“ wie die drei Frauen es nennen. Die 25.000 Euro sind für die drei jungen Frauen nur der Mindestbetrag, den sie benötigen. Wichtig hierbei ist: Dieser Betrag muss erreicht werden, damit sie das Geld anschließend erhalten. Bleibt es mit dem Aufruf darunter, wird das Geld wieder an die Unterstützer zurücküberwiesen.
Die Kampagne läuft noch bis zum 2. Juli. Aktuell waren am Freitag, 7. Juni, schon 6000 Euro zusammengekommen. Davon ab: Natürlich muss auch eine klassische Finanzierung durch eine Bank her. „Wir möchten uns als Gründerinnen jedoch nicht von einer Bank abhängig machen“, schreiben sie in der Begründung zu ihrer Kampagne. Denn: „Freiraum bei sämtlichen Entscheidungen ist uns sehr wichtig.“
Das Sortiment von Püngel & Prütt umfasst etwa 300 Produkte
Bei allem das Ziel: Ganz Mülheim soll nahezu den gesamten Einkauf bei Püngel & Prütt erledigen können. Einzig für wenige fehlende Teile soll noch ein gewöhnlicher Supermarkt angesteuert werden. „Das Sortiment wird etwa 300 Produkte umfassen“, so Lara Weyers. Unverpackt. Die Kunden bringen ihre Verpackung schließlich selbst mit. Kein Plastik, am besten Stoff, Gläser, Edelstahldosen.
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Aus den Warenspendern entnehmen sie dann sämtliche Produkte. Reis, Mehl, Nudeln, Backpulver, Gewürze, Müsli, Süßes, Tees, dazu noch saisonales Obst und Gemüse von Bauern aus der Region – alles bio, alles fair. Keine Ausreden. Dazu gibt es Seifen, Shampoo, Duschgel, Waschmittel, Reiniger, Natron. Ans Zubehör haben sie auch schon gedacht und wollen Glasflaschen, Einmachgläser oder auch Trinkhalme – natürlich nicht aus Plastik, sondern Edelstahl – anbieten.
Und bei allem wirken die Drei so strukturiert wie nötig und so natürlich wie eben möglich. Ihre Idee lässt sie strahlen, scheint sie noch weiter zusammenzubringen, als sie es eh schon sind. Sie sind seit acht Jahren befreundet, Jana und Lara sind Schwestern.
Zuletzt haben sie nicht nur dieselben Ideen und nachhaltigen Gedanken geteilt, sondern in einer Wohngemeinschaft auch Küche und Bad. Und schon bald den ersten Unverpackt-Laden Mülheims.