Essen. . Armut ist vor allem ein Problem großer Städte - und im Ruhrgebiet: Laut neuer Studie sagt jeder zweite Großstädter, dass die Armut gestiegen sei.

Trotz Beschäftigungszahlen auf Rekordniveau empfinden vor allem Großstädter Armut als zunehmendes Problem. Fast jeder zweite Bewohner einer Stadt mit mehr als 100.000 Menschen ist der Meinung, dass die Armut in Deutschland im Vergleich mit der Situation vor zehn Jahren gestiegen sei. Das geht aus einer repräsentativen Emnid-Umfrage hervor, die im Rahmen einer über 90 Seiten umfassenden Studie der Bertelsmann-Stiftung an diesem Dienstag veröffentlicht wird.

Darin erklärten 51 Prozent der befragten Großstädter, dass Armut ein sehr großes oder großes Problem sei. Damit liegt der Anteil der Besorgten doppelt so hoch wie im bundesweiten Durchschnitt. Zwei Drittel aller Befragten Deutschen fordern von der Politik zusätzliche Anstrengungen, um Armut zu bekämpfen.

14 Prozent der Großstädter von Armut betroffen

Henrik Riedel von der Bertelsmann-Stiftung erklärte diesen Unterschied zwischen Groß- und Kleinstädten auch damit, dass von Armut betroffene Personen wie Langzeitarbeitslose, Zuwanderer oder Alleinstehende eher in Großstädten leben. „Hinzukommt, dass in Großstädten oft besonders drastische Fälle von Armut erlebt werden“, sagte Riedel und nannte als Beispiel die Obdachlosigkeit.

Tatsächlich ist die Armut in Großstädten in den zurückliegenden zehn Jahren nur leicht gestiegen, wie die Studie anhand der aktuellsten bundesweiten Zahlen von 2016 darlegt: Zuletzt haben 14 Prozent der Großstädter staatliche Unterstützung wie Hartz 4 oder Sozialhilfe bezogen. 2007 waren es 13,7 Prozent. Bundesweit ist die Quote der Leistungsberechtigten sogar von 10,5 auf 10,1 Prozent gesunken.

Ruhrgebietsstädte besonders von Armut betroffen

Drastischer stellt sich die Lage bei den Städten im Ruhrgebiet dar: In den zwölf größeren Revier-Städten hat die Armut in den vergangenen zehn Jahren um bis zu vier Prozentpunkte zugenommen. In Dortmund, Duisburg und Herne hat jeder Fünfte 2016 Sozialleistungen bezogen, in Gelsenkirchen waren es 26 Prozent der Bevölkerung.

Der Strukturwandel sei im Revier immer noch nicht vollständig bewältigt, urteilt die Bertelsmann-Stiftung in ihrer Studie. Ganz anders in den ostdeutschen Großstädten: Dort sind die Armutsquoten von 2007 bis 2016 zurückgegangen.

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Die Bertelsmann-Stiftung appellierte an Bundes- und Lokalpolitik, ihre Anstrengungen zur Bekämpfung der Armut zu verstärken. Dazu gehöre auf Bundesebene, ausreichend Gelder für Hilfen zur Verfügung zu stellen. „Die Städte können zugleich in mehr Transparenz investieren“, so Riedel. Stadtteilbezogene Armutsberichte etwa könnten helfen, genau zu identifizieren, welche Quartiere besonders belastet seien und welche Folgen das habe.

„Wir wissen etwa, dass in Stadtteilen mit hoher Armutsquote oft auch die Umweltbelastungen besonders hoch sind“, sagte Riedel. Nötig zur Armutsbekämpfung seien integrierte Strategien, um solchen Auswirkungen entgegenzutreten.

Die aktuelle Studie ist Teil des Projektes „Monitor Nachhaltige Kommune“. Dabei orientiert sich die Bertelsmann-Stiftung an den sogenannten Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen, zu denen der Kampf gegen Armut ebenso gehört wie etwa Ernährungssicherheit und Bildungsgerechtigkeit.