Mülheim. . Das Drama um Notre-Dame weckt bei Walter Neuhoff Erinnerungen. Erinnerungen an den Krieg, als Bomben auf Mülheims Petri- und Paulikirche fielen.
Als Walter Neuhoff (82) die Fernsehbilder der brennenden Notre Dame in Paris sah, wurden bei ihm Erinnerungen an die Zerstörung der Petrikirche und ihren Wiederaufbau wach. Am 23. Juni 1943 legten britische Bomber mit der Innenstadt auch das damals schon 750 Jahre alte Wahrzeichen der Stadt in Schutt und Asche.
„Nur einige Mauerreste und das Fundament des Kirchturms waren stehen geblieben“, erinnert sich Neuhoff an die Bilder seiner Kindheit. „Als Konfirmanden des Jahrgangs 1951 sind wir damals mit dem damaligen Pfarrer des Evangelischen Altstadtgemeinde, Pastor Ernst Barnstein, durch die Trümmer der Petrikirche gestapft und er hat uns gezeigt, wo vor der Zerstörung was in der Petrikirche gestanden hatte. Ich habe noch seinen Satz ihm Ohr: Gebe Gott, dass ich den Wiederaufbau dieser Kirche noch erleben werde“, berichtet der Zeitzeuge.
Konfirmation konnte nicht in zerstörter Kirche stattfinden
Neuhoff und seine Mit-Konfirmanden, die ihre Konfirmation 1951 nicht in der zerstörten Petrikirche feiern konnten, sondern auf den Altenhof an der Kaiserstraße ausweichen mussten, leisteten ihren ganz eigenen Beitrag zum Wiederaufbau der Petrikirche. Regelmäßig sammelten sie an den Haustüren Spenden für den Wiederaufbau der Petrikirche. „Ja, die Petrikirche muss wieder aufgebaut werden. Dafür gebe ich gerne“, bekamen Konfirmanden auch von katholischen oder kirchlich gar nicht gebundenen Mülheimern zu hören.
Viel Geld für den 1950 begonnenen und 1958 abgeschlossenen Wiederaufbau der Petrikirche kam auch durch die Einnahmen der Petri-Pfingst-Kirmes zusammen. „Eine Achterbahn, die direkt an der zerstörten Petrikirche aufgestellt wurde, und zwei Riesenräder, die an der Ecke Bachstraße/Leineweberstraße und Leineweberstraße/Friedrich-Ebert-Straße standen, waren die Hauptattraktionen dieser Kirmes“, erinnert sich Neuhoff.
Turm der Petrikirche war 1957 wieder aufgebaut
Er muss noch heute darüber lachen, dass sein christlich-wertkonservativer Vater Wilhelm 1950 in die FDP eintrat, weil deren damaliger Vorsitzender und Bürgermeister Wilhelm Dörnhaus zu den treibenden Kräften des Wiederaufbaus der Kirche gehörte, die am 21. Dezember 1958 wieder eingeweiht werden konnte, nachdem ihr Turm bereits 1957 wiederhergestellt worden war.
„Die öffentliche Bedeutung, die dem Wiederaufbau der Petrikirche auch jenseits der Stadtgrenzen beigemessen wurde, zeigte sich auch daran, dass der erste Gottesdienst in der wiederhergestellten Petrikirche im Rundfunk übertragen wurde. Und ich erinnere mich noch gut daran, wie eindringlich Pastor Barnstein in diesem Gottesdienst vom Schmerz über die Zerstörung der Petrikirche gesprochen und ihren Wiederaufbau als große Gnade bezeichnet hat“, schaut Neuhoff auf den vierten Advent 1958 zurück.
Keine Lobby für die Paulikirche: Sie wurde abgerissen
Er bedauert es, dass eine andere Kirche, die Paulikirche an der Delle, keine so starke Lobby wie die Petrikirche hatte, obwohl hier täglich ökumenische Andachten stattfanden und viele Brautpaare sich dort das Ja-Wort fürs Leben gaben. „Die Paulikirche hatte im Krieg ihre Turmspitze verloren, die auch nach dem Krieg nicht wiederaufgebaut wurde“, erinnert sich Neuhoff. Die 1881 eingeweihte Paulikirche und ihre kleinere Vorgängerin konnten auf eine über 300-jährige Geschichte zurückschauen, als in der Kirche an der Delle am 27. Juni 1971 der letzte Gottesdienst gefeiert wurde. Auch eine Besetzung durch junge Mülheimer und ihre Forderung, dort ein autonomes Jugendzentrum einzurichten, konnte die Paulikirche nicht vor dem Abriss im Oktober 1971 retten.
>> KAUFHAUS-PLÄNE WURDEN VERWORFEN
Walter Neuhoff erinnert sich daran, dass es in den frühen 1970er Jahren Pläne gab, auf dem Platz der Paulikirche ein Kaufhaus zu errichten.
Diese Pläne, so Neuhoff, seien dann aber doch nicht realisiert worden, nachdem 1977 der Vorgänger des 1994 errichteten Forums, das City Center, eröffnet wurde.