Mülheim. . Straßen NRW plant den sechsspurigen Ausbau der A52. Die Erweiterung der Ruhrtalbrücke im Süden Mülheims ist dabei eine besondere Herausforderung.
Sie haben die Spatzen auf Mintarder Dächern beobachtet, sie lagen der glattnasigen Rauhautfledermaus auf der Lauer, sie gaben sich im Forst klangvoll als Waldkäuze aus. Im Auftrag von Straßen NRW hielten Wissenschaftler im vergangenen Jahr fest, wie artenreich das Umfeld der Ruhrtalbrücke ist. Die Erkenntnis: Es gibt hier einige „planungsrelevante Arten“, zieht Biologe Benjamin Bernhardt Bilanz, sprich: gefährdete oder solche, die noch vor dem Ausbau der 1,8 Kilometer langen Brücke etwa umquartiert oder anders umsorgt werden müssen.
Die Folge: Um die Umweltverträglichkeit des talüberspannenden Bauvorhabens sicherzustellen, muss das Land einigen Aufwand betreiben und möglicherweise Ersatzlebensräume auf den angrenzenden Feldern schaffen, wo derzeit Landwirtschaft und ein Pferdehof betrieben werden. Je nach Ausmaß der notwendigen Maßnahmen sind Konflikte mit den Eigentümern vorprogrammiert, deren Existenz an den Grundstücken hängt. Man sei noch am Anfang der Brückenplanung, sagt Frank Hinterland, Projektleiter von Straßen NRW, „man muss schauen, wie man die Maßnahmen in die Produktion integrieren kann.“
Brücke soll erhöhter Verkehrsbelastung entsprechen
Wer aber auf ein Veto der Feldlerche setzt: Verhindern werden Tiere und Pflanzen den Ausbau nicht, denn am Ende – so schätzen es die Experten von Straßen NRW ein – kann das öffentliche Interesse eines schnellen Autobahnverkehrs rechtlich über den Artenschutz gestellt werden. Ein solcher Prozess könnte den Ausbau allerdings weitere fünf Jahre aufhalten. Ohnehin kann allein das Verfahren bis zum Baubeginn wohl noch drei bis fünf Jahre dauern. Dabei soll die Brücke den Verkehrsprognosen im Jahre 2030 genügen, bis dahin ist nur noch wenig Zeit. Zumal ein Umweltgutachten nur fünf Jahre Gültigkeit besitzt – folglich also bis spätestens 2024. Deshalb will Straßen NRW die notwendigen Umweltmaßnahmen so weit wie möglich abklären.
Die Rauhautfledermaus im kleinen Hangwäldchen im Süden der Brücke ist so ein Beispiel einer seltenen Art. Für sie müssen dann Nistkästchen bereitgestellt werden, zeigt der Biologe auf die umliegenden Bäume am Sockel der Brücke, in denen der kleine Flattermann lebt. Und die zum Teil verschwinden müssen, wenn das jetzt schon raumgreifende Bauwerk in den kommenden Jahren auf sechs Spuren ausgebaut werden soll. Sehen kann man die Fledermaus beim Rundgang am Samstagmorgen mit gut 14 Lesern dieser Zeitung nicht, nur aufspüren mit speziellen Detektoren.
In Pfeilern nisten Steinkauze, Wanderfalken oder Uhus
Doch oft reicht schon wenig für einen Anfangsverdacht aus. In den Brückenpfeilern nisten gemeinhin Steinkauze, Wanderfalken oder Uhus. Mit Parabolmikrofonen versuchten die Biologen alle Brutstellen auszumachen. „So findet man drei bis vier Vogelarten mehr“, erläutert Bernhardt – wenn man denn ihre Stimmen auseinanderhalten kann.
Seltsame Kästen aus grünem oder schwarzem Netz haben Wanderer an der Ruhr beunruhigt. Das Rätsel lüftet der Biologe: Es waren Molchreusen, mit denen die Amphibien gezählt wurden. Auch dem Dachs war man auf der Spur, und dem Biber. Bernhardt rechnet damit, dass dieser sich in den nächsten fünf Jahren in der weidenreichen Landschaft ansiedeln wird, die für den Nager so begehrt ist.
„Und was ist mit dem Menschen?“, fragt ein Anwohner. Der Verkehr sei in den vergangenen zehn Jahren enorm gestiegen, auch in der Lautstärke – „warum macht man eigentlich nichts gegen röhrende Motoren?“, fragt eine Mintarderin, die am Fuße der Brücke im Haus ihrer Eltern lebt. Zumindest die Brücke soll einen aktiven Lärmschutz erhalten, weil sie nun „wie ein Neubau behandelt wird“, sagt Projektleiter Hinterlandt. Die derzeitige Konstruktion würde Lärmschutzwände nicht tragen können, die neue schon. Hinterlandt ist daher überzeugt: „Es wird danach sicher leiser sein, als es jetzt ist.“
>> BÜRGERN FORDERN MEHR INFORMATIONEN
Kritik am Vorgehen von Straßen.NRW äußern Landwirte und andere Eigentümer. Sie seien nicht informiert worden, dass die Mitarbeiter auf ihren Grundstücken Untersuchungen machen. Ein Anwohner glaubte gar, „es handelt sich um einen Aprilscherz, als ich von dem Ausbau gehört habe“. Biologe Bernhardt widerspricht: Es sei informiert worden, aber vielleicht nicht alle.
Mit Informationen im Vorfeld aber hat der Biologe auch schlechte Erfahrung gemacht. „Es gibt dann bestimmte Dynamiken, die nicht gewünscht sind“, deutet er an. Mit der Waffe sei er schon bedroht worden. Wenn ausreichend Daten, etwa die Vorplanungen vorlägen, will Straßen NRW zu einer Info-Veranstaltung einladen.