Mülheim. . Das Versprechen auf kesses Liedgut der 20er-Jahre lockte viele Zuschauer ins Mülheimer Medienhaus. Die zweite Auflage des Abends war ein Erfolg.

„Ich weiß nicht, wie ich diesen Abend noch toppen soll“ – mit viel Enthusiasmus servierte Tom Hemmelmann am Freitagabend im Medienhaus das zweite Menü aus seiner Konzertreihe „Handgemachtes“. Die Erwartung der Gäste im bis an den Rand gefüllten Saal war hoch, lockte doch die Aussicht auf das kesse Liedgut der 20er-Jahre nicht nur die Fans von gefeierten Serien wie Babylon Berlin. Es gab aber auch noch Luft nach oben.

Den Abend eröffnete der Mülheimer Liedermacher Philipp Hemmelmann, auch bekannt als Philipp der Pfuscher. Das Flair vom ehemaligen „Broadway Berlin“ schnappte Marliese Reichardt am Klavier und mit Zylinder auf – eine erfreuliche Reminiszenz an „die Dietrich“. Gemeinsam mit Thomas Blum an der Gitarre lieferten sich die beiden augenzwinkernde Schlagabtausche im inszenierten Geschlechterkrieg: „Gute Männer? Die finden Sie doch an jeder Ecke, Frau Reichardt.“ „Sicher – und die Erde ist eine Scheibe.“

Mit einem präzisen Spritzer Ironie

Das Ganze garniert mit Gassenhauern wie „Männer sind alle Verbrecher“ und „Alles wegen de Leut!“ machte Laune nach mehr und einer stärker theatralen Inszenierung. Wobei Thomas Blum die „Kleine Philosophie“ und „Guck doch nicht immer nach dem Tangogeiger hin“ mit einem präzisen Spritzer Ironie einschenkte.

Ihr Exkurs in eine Zeit deutscher Freizügigkeit und liberaler Haltung tat nicht nur dem Publikum gut, das „Wochenend und Sonnenschein“ und den „kleinen grünen Kaktus“ überraschend noch aus dem Effeff beherrschte. Reichardt wie Blum ordneten ihren Blick zurück ohne Pathos in den aktuellen politischen Kontext ein – und mahnten frei nach Arno Holz vor den „Party-Crashern“, die 1933 die Freidenker deckelten und heute wieder stark werden: „Das größte Maul und das kleinste Hirn, wohnen meist unter derselben Stirn.“

„Die Lieder werden jünger, die Gesichter älter“, merkten die Barbara Brothers aus Dümpten anschließend an. Denn die zweite Hälfte des Abends schlug das ganz andere Kapitel der musikalischen Nachkriegszeit auf: An Akustikgitarren und mehrstimmig riefen Jürgen Wrobbel, Ralf Schuhmacher und Ernst Wolfrum die Pop-Songs der 70er- und 80er- Jahre wie Mrs. Robinson und Penny Lane wach. Nicht immer kamen sie der erinnerten Größe des Originals nah und auch nicht immer in der Originalvariante, wie sie bei ihrer Nummer „Every breath you take“ anmerkten – die stammte nicht von Police aus dem Jahr 1983 sondern eher von einer sanfteren Version aus den 2000ern. Scherzhaft merkten die „Brüder“ an: „Die harte können wir nicht.“