Der Parteitag der Mülheimer SPD stand unter dem Eindruck des ungelösten internen Streits. Es gibt Rufe nach einem kommunalpolitischen Neustart.

Nach vorne schauen, mit Inhalten punkten: Die intern zerstrittene SPD hat auf ihrem Parteitag jetzt in basisdemokratischer Manier aufgenommen, welche Themen den Mitgliedern unter den Nägeln brennen. Am Ende des noch langen Prozesses soll ein neuer „Mülheim-Plan“ stehen, mit dem die SPD trotz aller Querelen im Zuge der OB-Affäre bei der Kommunalwahl 2020 punkten will.

Zu Beginn des Parteitages am Montagabend im Ringlokschuppen schwor der stellvertretende Parteivorsitzende Cem Aydemir die 114 Delegierten und weitere Gäste zum „Streit um die besten Ideen“ auf. „Nur wenn wir auf die drängenden Fragen der Gegenwart und Zukunft mit überzeugenden Konzepten antworten, hat die Mülheimer Sozialdemokratie eine Zukunft“.

Frust über die derzeitige Lage der Mülheimer SPD

Juso-Vorsitzende Laura Libera forderte mehr Frauen in politischer Verantwortung.
Juso-Vorsitzende Laura Libera forderte mehr Frauen in politischer Verantwortung. © Martin Möller

Aydemir unterließ es nicht, seinen Frust über die derzeitige Lage der SPD in Mülheim loszuwerden. Bedauerlicherweise sei „eine baldige und überzeugende Lösung für die personellen Fragen in unserer Partei und Fraktion“ immer noch nicht in Sicht. Dass Aydemir damit nicht nur auf Ulrich Scholten anspielte, der wegen seiner Spesenaffäre und der andauernden Ermittlungen zum Verdacht der Untreue seinen Parteivorsitz weiter ruhen lässt, musste manch ein Genosse aus der Ratsfraktion als Angriff empfinden.

Weiter sagte Aydemir: „Die Grundlage für einen personellen Neuanfang für Partei und Fraktion werden wir noch in diesem Jahr schaffen.“ Denn klar sei: Man könne zwar das beste Wahlprogramm aufstellen. Werde dieses aber nicht von den „besten und glaubwürdigsten Köpfen vertreten“, werde man die Bürger nicht von sich überzeugen können.

Vize Silvia Richter war zu Tränen gerührt

Aydemir steht seit Montag alleine an der Spitze des Vorstandes. Scholten setzt weiter aus, Vize Silvia Richter wurde am Montag nach ihrem Rücktritt verabschiedet. Richter, die auch den parteiinternen Streit als Grund für ihren Rückzug angeführt hatte, erntete warmen Applaus von den Delegierten, war zu Tränen gerührt von dem Zuspruch.

Abschied mit Tränen: Silvia Richter trat aus dem Parteivorstand zurück.
Abschied mit Tränen: Silvia Richter trat aus dem Parteivorstand zurück. © Martin Möller

Im Zentrum des Abends stand die inhaltliche Arbeit am Kommunalwahlprogramm. Parteitagspräsident Rodeon Bakum forderte dafür seine Genossen zum „kommunalpolitischen Neuanfang“ auf. Die finanzielle Situation der Stadt dürfe nicht Hemmschuh sein, sozialdemokratische Ideen zu entwickeln.

Der basisdemokratische Programmprozess steht in den Anfängen. Acht Themenfelder sind gesetzt, an Stellwänden diskutierten, notierten und bewerteten die Sozialdemokraten ihre Ideen.

Die Klimadebatte ist großes Thema der Mülheimer SPD

Noch steht die inhaltliche Ausrichtung nicht fest, die SPD ringt intern etwa um eine Positionierung zum Nahverkehr und zur leidigen Standortfrage der VHS. Klar wurde am Montag, dass die SPD sozialen Kitt für die Stadt anrühren will – ob über bildungs-, integrations-, sozial- oder wirtschaftspolitische Initiativen. Die Klimadebatte ist großes Thema. Auch treibt die Genossen die Frage um, wie die Finanzierung des kommunalen Gemeinwesens in Zukunft sichergestellt werden kann. Die zunächst provokante Frage am Montag lautete: Was tun mit den „heiligen Kühen“? Da waren gar kritische Stimmen zu den Kulturstandards, etwa am Theater, zu vernehmen.

„18 Monate harte Arbeit liegen vor uns“, prophezeite die ausgeschiedene Partei-Vize Silvia Richter ihren Genossen noch viel Programmarbeit, um sich zur Kommunalwahl aufzustellen.

Der Parteitag folgte dem Antrag des Ortsvereins Eppinghofen, die Kita- und OGS-Gebühren abzuschaffen. Auch fand der Parteivorstand breite Unterstützung für seinen Antrag, die Ortsvereine künftig mit Doppelspitze aufzustellen: mit einer Frau und einem Mann.

>> JUSO-CHEFIN FORDERT MEHR FRAUEN IN FUNKTION

Juso-Vorsitzende Laura Libera hat ihre Partei aufgefordert, mehr Frauen in politische Ämter zu wählen. Der Frauenanteil von 10,2 Prozent in der eigenen Ratsfraktion sei Ausdruck fortwährender Ungleichheit.

Traut Euch anzuecken, Eure Meinung zu vertreten, und traut Euch, die Verantwortung zu übernehmen“, rief Juso-Vorsitzende Libera ihren Parteigenossinnen zu – und erntete dafür viel Beifall.