Mülheim. . Immer mehr Vorgärten verlieren die Botanik. Die SPD regt nun eine Debatte an: Kann die Stadt eine Begrünungspflicht anordnen? Diese will prüfen.
Die Siedlervereinigung auf der Heimaterde ist inzwischen dazu übergegangen, das Anlegen von Blumenwiesen in den Vorgärten zu fördern. Das hat seinen Grund, weil sich stadtweit der Trend bemerkbar macht, dass zunehmend Vorgärten unter Steinen und Schotter verschwinden. Umweltschützer sind besorgt. Die SPD will jetzt von der Stadtverwaltung prüfen lassen, welche Möglichkeiten bestehen, eine Begrünungspflicht in Vorgärten einzuführen.
Mülheim ist nicht alleine betroffen. „Stein- und Schottergärten stellen seit einigen Jahren ein immer größeres Problem in vielen Städten in Deutschland dar“, klagen die Umweltpolitiker der SPD. Lebensräume gingen so verloren, die ohnehin schrumpfende Artenvielfalt verkleinere sich weiter, und auch die Luftqualität leide in den zum Teil dicht besiedelten Wohngebieten.
Siedler: Vorgärten haben eine Wohlfahrtswirkung
Ähnlich sieht es der Vorsitzende der Siedlervereinigung, Egon Janz: „Sorge bereitet der heutige Trend, ganze Vorgärten unter Folien versinken zu lassen, die dann mit Schottersteinen zugeschüttet werden.“ Dies sei mit einem Erhalt der Vorgärten nicht vereinbar. „Ihre Wohlfahrtswirkungen für das Kleinklima und als Nahrungsquelle für Vögel und Insekten gehen verloren.“ Dies, so Janz, widerspreche auch den Vorgaben der für die Heimaterde erstellten Bebauungspläne, nach denen diese Verschotterung untersagt sei und rückgängig gemacht werden könne. Die begrünten Vorgärten gehörten nun mal zum Erscheinungsbild der Heimaterde.
Doch nicht nur auf der Heimaterde macht man sich Gedanken. In der Stadtverwaltung liegt das Thema sozusagen auf dem Tisch. Die Stabsstelle für Klimaschutz und Klimaanpassung soll nun erst einmal herausfinden, welche Auswirkungen auf das städtische Klima diese Versteinerung von Vorgärten hat. „Wir brauchen eine fachliche Bewertung“, sagt Stadtsprecher Volker Wiebels. Eine Satzung, nach der Vorgärten grüne Zonen bleiben müssen, gibt es in Mülheim bisher nicht. Einige Kommunen haben dies zum Schutz der Umwelt getan. „Wir müssten aber auch erst einmal rechtlich prüfen, ob wir derart in die Privatsphäre eingreifen dürfen“, sagt der Stadtsprecher skeptisch und ist daher froh, dass das Problem nun von der Politik aufgegriffen wird.
Gutachter suchen Konzepte zum lokalen Klimawandel
Derzeit arbeitet die Stabsstelle Klimaschutz und Klimaanpassung, die sich in dieser Form zu Beginn des Jahres neu aufgestellt hat, an lokalen Antworten auf den klimatischen Wandel. „Die kommunale Ebene ist von entscheidender Bedeutung für eine erfolgreiche Bewältigung der Klimawandelfolgen“, sagt die Leiterin der Stabsstelle, Ulrike Marx. Sie ist überzeugt, dass es in der Stadtentwicklung, beim Ausbau und Betrieb von Infrastruktur und in den eigenen Liegenschaften Stellschrauben gibt, dem Klimawandel erfolgreich zu begegnen. Unter Federführung der Stabsstelle wird derzeit mit einem externen Gutachterteam ein Konzept zur Anpassung der Stadt an den Klimawandel erarbeitet. Der Grad der Versiegelung von Flächen in der Stadt spielt dabei eine Rolle.
Die Vorsitzende des Umweltausschusses, Brigitte Erd, hält von der Versiegelung in Vorgärten nichts. Sie glaubt aber nicht, dass die den Eigentümern verboten werden kann. „Wir sollten eher überlegen, ob wir das Problem nicht über die Abwasser-Satzung regeln.“ Heißt: Regenwasser fließt auf Steinen längst nicht in dem Maß ins Erdreich wie auf begrünten Flächen, sondern in die Kanalisation – erst recht, wenn Folien unter den Steinen liegen. Damit wäre die Fläche gebührenpflichtig.
Auch unter dem Klimaaspekt sieht Brigitte Erd spürbare Nachteile: „Steine heizen sich auf, geben noch mehr Wärme ab. Eine Begrünung sorgt dagegen für kühle Luft.“
>> WILDPFLANZEN STATT STEINE
Mehr Wildpflanzen statt Steine – das ist das Ziel der Umweltpolitiker. Sie haben sich kürzlich dafür ausgesprochen, dass gesponserte Flächen mit Wildpflanzen in Mülheim möglich sein sollen.
Die Stadt erarbeitet dazu ein Konzept. Mit den blühenden Wiesen soll ein Beitrag gegen das Bienen- und Insektensterben geleistet werden. Auch grüne Vorgärten gelten als wertvoll für Insekten.