Mülheim. In den nächsten zehn Jahren gehen 40 Prozent der Mitarbeiter der Stadtverwaltung in den Ruhestand, und die Nachwuchsgewinnung ist nicht einfach.
Die Stadtverwaltung habe ein Problem, sagen politische Kritiker und inzwischen auch Bürger: Im Vergleich mit anderen Städten sei sie pro Einwohner mit Abstand am teuersten. Einsparpotenzial sieht selbst der Kämmerer. Die Verwaltung habe ein Problem, sagt auch der Stadtdirektor und Personaldezernent, Dr. Frank Steinfort, hat dabei aber eine ganz andere Entwicklung im Blick: 42 Prozent der heutigen Mitarbeiter werden bis 2030 ausscheiden, die weitaus meisten davon gehen in den Ruhestand. Und die Nachwuchsgewinnung wird immer schwieriger.
982 Euro pro Jahr und Einwohner kostet die Mülheimer Stadtverwaltung mit ihren derzeit rund 3000 Beschäftigten. So weisen es offzielle Vergleichszahlen des Kommunalfinanzberichtes aus. Essen kommt danach mit 820 Euro aus, Duisburg mit 769 Euro, und Oberhausen schafft es sogar mit 700 Euro. Bei den jüngsten Haushaltsdebatten kritisierten denn unter anderen der Bürgerliche Aufbruch Mülheim und die FDP die hohen Kosten und sehen im Rathaus noch reichlich Sparpotenzial. Dabei werden dort seit 2005 bereits kräftig Stellen gestrichen.
611 Stellen eingespart, 705 neu eingerichtet
611 Stellen hat die Stadtverwaltung im Zuge der Sparmaßnahmen seitdem abgebaut. Dennoch steht unterm Strich ein Plus. Denn im gleichen Zeitraum wurden auch wieder 705 Stellen neu eingerichtet. Mehr Kinderbetreuung, Flüchtlingsarbeit, eine neue EU-Gesetzgebung für die Feuerwehr – all das, so Steinfort, seien Beispiele und gesetzlich bedingte Gründe für den Personalaufbau.
Steinfort stellt folgende Rechnung auf, um zu zeigen, dass die Stadtverwaltung Mülheim keineswegs viel teurer sei als die in anderen Kommunen:Den gesamten Immobilien-Service und Sportservice haben andere Städte ausgegliedert, deren Kosten tauchen dann in den Kosten pro Einwohner nicht auf – in Mülheim schon. Andere Kommunen haben die Sozialagentur ausgegliedert, auch dann stehen die Kosten auf einem anderen Blatt Papier. Und: Andere Städte haben deutlich mehr Kindertageseinrichtungen an freie Träger vergeben als Mülheim (nur 31 Prozent), auch das bedeute dann weniger Personalkosten. „Wenn wir das mit berückrichtigen, kostet die Mülheimer Verwaltung jeden Einwohner 774 Euro“, so Steinfort, und damit liege die Stadt im Mittelfeld.
Hohe Fluktuation über 20 Jahre
Was den Personaldezernenten, besorgt, ist, wie die Aufgaben in den nächsten Jahren überhaupt noch geleistet werden können, und das gut. Bis 2023 muss die Stadt noch einmal 120 Stellen und damit rund sechs Millionen Euro einsparen. An der Digitalisierung von Aufgaben wird seit langem gearbeitet. Eine komplexe Aufgabe, die eigentlich, so Steinfort, mehr Leute für die Vorbereitung und Einführung bräuchte. Doch ob und wo durch die Digitalisierung letztlich der Mensch ersetzt werden könne, sei auch noch offen.
Weiche Faktoren werden immer wichtiger
Zum Stellenabbau kommt in den nächsten 20 Jahren eine hohe Fluktuation von Mitarbeitern. Es ist längst kein Mülheimer Phänomen. Jeder zweite Beschäftige in der Stadtverwaltung ist älter als 50, gerade mal 27 Prozent sind jünger als 40. Der Wettbewerb um die besten Köpfe, so Steinfort, habe längst begonnen. Mit Gehaltsaufschlägen können im öffentlichen Dienst Arbeitgeber nicht locken. Weiche Faktoren, so Steinfort, wie gute Ausbildungsbedingungen, gutes Betriebsklima, fairer Umgang, echte Wertschätzung, reelle Aufstiegschancen spielten daher eine immer größere Rolle. „Wir brauchen weiterhin als Behörde, die hoheitliche Aufgaben wahrnimmt, Bewerber mit guter Qualität“, betont der Personaldezernent, und weiß, dass eben dies nicht immer auf dem Markt vorhanden ist. Man denke daher in der Mülheimer Verwaltung auch darüber nach, eigenen Schulunterricht anzubieten, um Defizite zu kompensieren.
Kosten steigen 2022 auf 192,6 Millionen Euro
Das Land fordert von Mülheim wegen der Teilnahme am Stärkungspakt: Die Personalaufwendungen dürfen jährlich nicht mehr als ein Prozent steigen.
Eine problematische Forderung, denn schon die tariflichen Steigerungen liegen über einem Prozent. In der Prognose steigen die Personalaufwendungen trotz Stellenabbaus von 184,2 Millionen im Jahr 2019 auf 192,6 Millionen im Jahr 2022.