Mülheim. . 30 Jahre besteht die Städtepartnerschaft zwischen Mülheim und Opole. Im Medienhaus sprach Autor Hans Bollinger über die Liebe zu Osteuropa.

Nicht ein einziges Wort Polnisch soll Hans Bollinger gekannt haben, als er 1976 ‘seine’ Krystyna Zawisza kennenlernte – und sie kein bisschen Deutsch. Und doch beschlossen beide nach nur 14 Tagen zu heiraten. „Sie glauben gar nicht, was man sich sagen kann, ohne die Sprache zu sprechen“, deutet der Saarbrückener Musiker, Autor und Pädagoge am Dienstagabend im Medienhaus vielsagend seinem Publikum an.

Die Liebe sollte diesen Abend bestimmen, den das Medienhaus und die Realschule Broich zur 30-jährigen Partnerschaft zwischen Mülheim und Opole ins Leben riefen. Die Liebe zu einer Frau, aber ebenso zum Land Polen und seinen Menschen, Elchen und sogar Bären. Doch zunächst galt es für Bollinger auf dem Weg zum Altar die Hürden aus Grenzbäumen – schließlich gehörte Polen 1976 noch lange nicht zu Europa – des berüchtigten ost-europäischen Winterwetters und der nicht minder berüchtigten Bürokratie zu überwinden.

Heirat kurz vor Weihnachten

„Wer mir gesagt hätte, dass ich dieses Land lieben werde, ich hätte ihn für verrückt erklärt“, gesteht Bollinger. Am Ende half der irdische Segen in Gestalt eines 50 D-Mark-Scheins an den plötzlich emsigen polnischen Beamten, der die Heirat kurz vor Weihnachten doch noch möglich machte. Auch das scheint das deutsch-polnische Verhältnis zumindest einst geprägt zu haben wie der rege Austausch von Kaffee und Wodka.

Und ebenso eine andere – furchtbare – Beziehung hat dieses jahrzehntelang belastet: die Verbrechen des Nationalsozialismus. Als Bollinger mit Freunden durch die beeindruckende Natur wandert, stößt er unerwartet an einer Lichtung auf eine Plakette. Sie erinnert an ein Massengrab für 1250 jüdische Menschen, die die Gestapo brutal aus den umliegenden Dörfern einsammelte, ausraubte, ihr eigenes Grab schaufeln ließ und sie dann ermordete. „Mir lebn ejwik, es brent a welt. Mir lebn ejwik, on a groschn gelt. Wir leben ewig, wir sind noch da“, singt Musiker Bollinger dann ein jiddisches Lied von Lejb Rosenthal in Gedenken an die Opfer.

Kunstworkshop zum Maler Jerzy Hurlewicz

Bollinger ist bis heute ein Vielreisender und Kenner Polens: „Es ist ein modernes, offenes Land.“ Doch wie steht es um die Beziehung der jungen Generation auf beiden Seiten? Gut – gemessen an den vielen Bildern von polnischen wie deutschen Jugendlichen, die die Lesung am Rande begleiteten. 46 Schüler der Realschule Broich und der Szkola Podstawowa Powstancow Wielkopolskich widmeten sich in einem Kunstworkshop dem expressionistischen polnischen Maler Jerzy Hurlewicz. Entstanden ist daraus ein Kalender, der die Verbundenheit auf beiden Seiten unterstreicht.

>>Die Lesung im Medienhaus wurde vom Büro für Städtepartnerschaften Mülheim und der Realschule Broich organisiert.

Anlass ist die 30-jährige Städtepartnerschaft zwischen Opole und Mülheim in diesem Jahr.

Aus den Arbeiten der Schüler ist ein Kalender „Deutsch-polnischer Expressionismus in Anlehnung an Jerzy Hurlewicz“ entstanden.