Mülheim. . Im Südosten leben die Menschen großzügig und schön. In Holthausen, Menden und Raadt bietet die Stadt zudem einige bedeutende Leuchttürme.

Der Unternehmer Hugo Stinnes wusste, wo es sich schön wohnen und leben lässt und bezog auf dem Kahlenberg eine prächtige Villa im neobarocken Stil Mitte der 20er Jahre. Das Haus Urge, wo heute das Zentrum für Innovation und Technik (Zenit) seinen Sitz hat, gehört zu den nobelsten Adressen in den vier kleinen Stadtteilen. Wer dort lebt, hat in Regel viel Platz zum Wohnen, er zieht längst nicht so schnell wieder weg und lebt auch fern so mancher Sorgen, die es anderswo in Mülheim gibt.

„Wir haben hier nicht nur viel Grün und eine sehr geringe Wohndichte, sondern auch einen sehr hohen Freizeitwert“, hebt Stephan Roßbach hervor. Viele Sportvereine seien dort angesiedelt, und wer will, kann gleich vor seiner Haustür mit dem Sport beginnen, etwa an der Mendener Straße. Roßbach ist Vorsitzender der Interessengemeinschaft für Holthausen, Menden und Raadt. Wo drückt der Schuh? „Die Nahversorgung könnte besser sein“, sagt er. Gerade mal am Oppspring gebe es noch ein paar Läden. Aber in Menden oder auch in Raadt bedeute Einkaufen immer auch Autofahren. Das empfänden viele als echten Nachteil.

Vielleicht sogar ein Museum mit Luftschiffen

Dass auf dem Flughafen-Areal eines Tages ein neues Wohnquartier mit 4000 und mehr Menschen und mit Geschäften entstehen könnte – diese Vorstellung empfindet der Vorsitzende der Interessengemeinschaft eher „fürchterlich“, wie er sagt. „Ich würde den Flughafen so belassen, ihn noch mehr vermarkten, vielleicht sogar ein Museum zum Fliegen mit Luftschiffen dort schaffen.“

Der Flughafen in Raadt gehört zu den Einzigartigkeiten in Mülheim, andere sagen auch zu den Leuchttürmen wie eben Haus Urge oder die beiden Max-Planck-Institute – für Kohlenforschung und Chemische Energiekonversion. Nirgendwo sonst ist Mülheim internationaler vernetzt als dort, nirgendwo sonst erreicht die Stadt in der Welt so viel Aufmerksamkeit als durch das, was die Forscher auf den Weg bringen. Im Institut für Chemische Energiekonversion geht es um nichts weniger als die Energiefrage der Welt zu lösen: Wie können wir die Photosynthese der Natur im Reagenzglas nachbauen? Die Energie der Sonne in einer chemischen Verbindung speichern?

Verändern sich die kleinen Stadtteile stark?

Den hohen Freizeitwert stärkt auch die kleine Perle Witthausbusch mit dem Tiergehege, dem Arche-Park. Es ist seit über 100 Jahren ein beliebtes Naherholungsgebiet mit Damhirschen, Mufflons, mit vom Aussterben bedrohten Haus- und Nutztierrassen. Auch das ist ein Leuchtturm der Stadt.

Werden sich die kleinen Stadtteile in den nächsten Jahren stark verändern? Eine, die seit ihrer Kindheit fast durchgängig dort lebt, ist Britta Stalleicken. Sie spricht von hoher Lebensqualität und wünschte sich, dass die vielen alten Bestandsgebäude erhalten blieben und von der nächsten Generation genutzt würden. Sie wünscht sich, dass nicht noch mehr Grünflächen angeknabbert werden. „Wir brauchen in dieser Stadt die Frischluftschneisen“, sagt Britta Stalleicken.

Als Stärke hebt sie auch die angenehmen und guten Nachbarschaften hervor. „Hier zeigen viele eine große Verantwortung für ihren Stadtteil.“ Nur in so einem Klima, glaubt sie, konnte so eine starke Bürgerinitiative wie die an der Tilsiter Straße entstehen, die über viele Jahre für den Erhalt von Frischluftschneisen kämpfte. Dennoch: Es wurde gebaut.

Man vergisst das Ruhrgebiet (fast)

Wie auch jetzt an der Zeppelinstraße, wo lange Zeit das Agiplan-Gebäude von Sir Norman Foster stand. Doch der Bau des berühmten englischen Architekten wurde abgerissen, es entsteht ein neues Wohnquartier aus 44 Einfamilienhäusern. Ob das auch eine bessere Nahversorgung hervorruft? Auch Britta Stalleicken: „Es fehlen vor allen kleinere Läden, die fußläufig zu erreichen sind.“

Dafür stellt schon mal ein Landwirt seine Ernte zum Verkauf auf einem kleinen Holzwagen aus. Selbstbedienung, das Geld kommt in eine kleine Kasse. Wer will, kann auch Blumen pflücken. In Menden, Raadt, Ickten spürt man über weite Strecken ein Landleben. Verstreut liegen auf den Ruhrhöhen umgebaute alte Gehöfte, liebevoll gestaltet. Hin und wieder begegnet einem ein Reiter auf einem Pferd, Katzen laufen über den Weg, Rinder und Schafe grasen auf Weiden, und der Wind trägt das Bellen der Hunde aus dem Tierheim durch das Forstbachtal. Zum Wandern eine Großstadt-Idylle, bei der man das Ruhrgebiet (fast) vergisst.