Mülheim. . Zahl der Alkoholvergiftungen in der Gruppe der 80- bis 85-Jährigen hat sich versechsfacht. Mülheimer SPD Arbeitsgemeinschaft 60 plus informiert.

Die Lebenserwartung im Alter steigt – eigentlich eine gute Sache. Doch mit dem Älterwerden der Gesellschaft kommen auch neue Probleme auf diese zu. Dazu zählt nicht nur die Finanzierung der Renten, sondern auch das eher wenig im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehende Thema der zunehmenden Suchtgefährdung älterer und alter Menschen.

Aus diesem Grunde lud die SPD Arbeitsgemeinschaft 60 plus am Donnerstagabend in die Räumlichkeiten der Volkshochschule zu einer Informationsveranstaltung ein. „Leider wird die Suchtproblematik im Alter oft verdrängt und tabuisiert“, sagt Ulrich Schallwig, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft. Es gebe genügend Krisen im Alter, die Anlass bieten, zu Suchtmitteln zu greifen.

Unter 50 Jahren sinken die Zahlen seit einigen Jahren

Als Referenten waren bei der Veranstaltung Experten des Arbeitskreises „Unabhängig bleiben – Suchtvorbeugung im Alter“ zu Gast. Norbert Kathagen von der ginko Stiftung konnte in seinem Vortrag auf erschreckende Zahlen hinweisen: Von Jahre 2000 bis zum Jahre 2016 hat sich laut einer Studie die Zahl der Alkoholvergiftungen in der Altersgruppe der 80- bis 85-Jährigen versechsfacht. „Wir sehen zwei gegenteilige Entwicklungen“, erläutert Kathagen: „Unter 50 Jahren sinken die Alkoholvergiftungen seit einigen Jahren, bei den über 50-Jährigen haben wir dagegen einen Anstieg zu verzeichnen.“

Noch stärker als Alkoholmissbrauch ist in dieser Altersgruppe die Gefährdung durch Medikamente. So heilsam sie in vielen Fällen sein mögen, werden sie oft bei gleichzeitiger Einnahme mehrerer Präparate zu einer „Hexenmixtur“.

Zu viele Medikamente gleichzeitig

„Seriöse Pharmakologen weisen darauf hin, dass maximal sechs Wirkstoffe in ihrer Kreuzwirkung aufeinander abgeschätzt werden können“, berichtet Kathagen. Verschrieben würden aber in 60 Prozent aller Fälle mindestens acht Wirkstoffe gleichzeitig und bei 20 Prozent der Verschreibungen an ältere Menschen sogar mindestens dreizehn verschiedene Wirkstoffe.

Claudia Peiter vom Gesundheitsamt betont, dass vielfach ein zu sorgloser Umgang mit rezeptfreien Arzneien bestünde: „Viele denken, was frei verkäuflich ist, ist auch nicht schädlich.“ Dabei mache nur die einzelne Dosis pro Tablette den Unterschied aus, ob ein Medikament verschrieben werden muss oder nicht. „Dann nehme ich von den rezeptfreien mehr, um die erwünschte Wirkung zu erzielen“ ,so Claudia Peiter.

Präventiv kann der Gefährdung durch Suchtmittel begegnet werden durch eine verstärkte Bewusstwerdung des eigenen Verhaltens und durch erhöhte Selbstverantwortung. Ist ein Senior suchtkrank, sind auch die Angehörigen eine Hilfe, meint Norbert Kathagen. Viele würden sich scheuen, den Missbrauch anzusprechen: „Es kommt auf die Formulierung an, die nicht vorwurfsvoll, sondern objektiv beschreibend sein sollte“, lautet sein Ratschlag.

>> MEHRERE ANLAUFSTELLEN BIETEN HILFE AN

Zur Suchtproblematik im Alter finden sich mehrere Anlaufstellen in der Stadt, die auch um Rat suchenden Angehörigen gern ihre Hilfe anbieten:

die Caritas-Sozialdienste, Hingbergstraße 389, 899 26-12, -13, -14 oder -16;

das Ambulatorium der Diakonie, Althofstraße 4, 300 32 23;

der Sozialpsychiatrische Dienst des Gesundheitsamtes, Heinrich-Melzer-Straße 3, 455-53 30;

das Drogenhilfezentrum der Awo, Gerichtstraße 11, 45003 300;

die Ginko Fachstelle für Suchtvorbeugung, Kaiserstraße 90, 300 69-44.

Als Selbsthilfegruppe für Alkoholprobleme gibt es den Kreuzbund in der Hingbergstraße 176, 0177 647 05 26.