Mülheim. . Neues Gesetz bietet neue Chancen: Üppige Fördermittel fließen, und im „arbeits.markt.platz“ am Löhberg soll schnell und umfassend beraten werden.
2600 Langzeitarbeitslose aus Mülheim beziehen seit sechs Jahren oder länger Leistungen vom Amt und sind älter als 25 Jahre. Für 134 von ihnen besteht nun eine gute Chance, doch noch Fuß zu fassen auf dem Arbeitsmarkt. Das neue Teilhabechancengesetz, eine Erweiterung des SGB II, macht’s möglich. Zum einen fließen Bundesmittel in Höhe von 3,2 Millionen Euro in die Stadt und ermöglichen üppige Förderungen. Zum anderen hat das hiesige Jobcenter gemeinsam mit der Jobservice GmbH das neue Bewerbercenter „arbeits.markt.platz“ am Löhberg 72 ins Leben gerufen. Dieses wird nach Überzeugung von Jobcenter-Leiterin Anke Schürmann-Rupp dazu beitragen, mehr Menschen als bislang in Arbeit zu bringen.
Fünf Jahre lang dauert die Förderung. Die ersten beiden Jahre gibt es die vollen 100 Prozent des Tariflohns, in den darauffolgenden Jahren werden Jahr für Jahr zehn Prozent abgezogen. Als Arbeitgeber kommen Wohlfahrtsverbände, freie Träger und Kommunen in Betracht – doch auch Beschäftigung in Betrieben des ersten Arbeitsmarktes hat das Jobcenter im Blick.
Bei Wirtschaftsunternehmen um Arbeitsplätze werben
Damit die Langzeitarbeitslosen dort eine reelle Chance haben, wollen sich die Mitarbeiter des neuen Bewerbercenters mächtig ins Zeug legen: Zwei Betriebsakquisiteure wollen bei örtlichen Wirtschaftsunternehmen Arbeitsplätze auftun. Jobcoaches stehen den Langzeitarbeitslosen zur Seite, begleiten die Vermittlung mit Rat und Tat.
Im Bewerbercenter können individuelle Bewerbungsunterlagen erstellt werden. Eine Fachkraft bietet eine psycho-soziale Beratung an, etwa bei Suchtproblemen, Schulden oder anderen Vermittlungshindernissen. Und auch wenn die Anstellung dann tatsächlich erfolgt ist, bleiben die Menschen nicht ohne Unterstützung: Zwei Jobbegleiter stehen ihnen zur Seite, vermitteln unter anderem bei Konflikten mit dem Arbeitgeber. Wer Arbeit gefunden hat, kommt zudem in den Genuss von Coachings und Weiterbildungsmöglichkeiten.
Bundesweit stehen bis 2022 vier Milliarden Euro an Fördermitteln zur Verfügung, für 2019 rund 900 Millionen Euro. Nach Mülheim gehen 3,2 Millionen Euro – für besagte 134 Stellen. Angesichts von 2600 Menschen, die die Förder-Bedingungen theoretisch erfüllten, klingt das wenig, räumt Anke Schürmann-Rupp ein. Sie ist dennoch zufrieden: „Da geht mehr, aber man muss einfach mal anfangen.“ Der Bund reagiere auf langjährige Forderungen, den Arbeitsmarkt endlich sozialer zu gestalten.
Eine umfängliche, engmaschige Betreuung
Das Bewerbercenter biete gute Voraussetzungen. Vier PC-Arbeitsplätze sind vorhanden, mehrere Laptops sollen angeschafft werden. Grundsätzlich sind zwar weiter die Casemanager für die Arbeitslosen verantwortlich, doch diese könnten entlastet werden. „Eine so umfängliche, engmaschige Betreuung war bisher nicht möglich“, sagt Schürmann-Rupp. Es stehe auch einfach mehr Personal zur Verfügung. Leiterin Andrea Fassbender arbeitet mit den zwei Betriebsakquisiteuren, drei Jobcoaches, der Fachkraft für psychosoziale Belange und den zwei Jobbegleitern zusammen. So bedürfe es ab sofort keiner festen Termine mehr, müsse niemand mehr von A nach B rennen. „Die Unterstützung kommt aus einer Hand, erfolgt individuell.“ Im Frühjahr werde man auch den Standort Eppinghofer Straße 50 einbeziehen.
Gesucht werden Jobs aus allen Bereichen
Schürmann-Rupp setzt darauf, dass viele Arbeitgeber durch die gute Förderung angelockt werden. „Wir suchen Jobs aus allen Bereichen und Chefs, die gesellschaftliche Verantwortung übernehmen wollen.“ Dass sich das ewige Ringen um Arbeitsplätze lohnt, zeigten Geschichten wie diese: Ein Langzeitarbeitsloser, der endlich Anstellung als Hilfsarbeiter bei einem Bauern gefunden hatte, stellte sich anfangs alles andere als geschickt an, verwechselte das Futter für Schweine und Rinder. Doch er lernte dazu und die Familie schloss ihn ins Herz – so entschied sich der Bauer, ihm auch nach Auslaufen der Förderung Arbeit zu geben.
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In den Räumlichkeiten des Gebäudes Löhberg 72 gegenüber vom Rathaus war ab 2010 zunächst der „Zielpunkt Job“ untergebracht und ab 2016 der „Standort Biwaq“ – beides Projekte der Sozialagentur. Von 2014 bis 2015 wurden die Räume als Planungsbüro für das „Ruhrquartier“ fremdgenutzt.
Andrea Fassbender, Leiterin des „arbeits.markt.platz“, ist zu erreichen via andrea.fassbender@muelheim-ruhr.de oder 455-5950. Arbeitgeber, die Kontakt zur Betriebsakquise aufnehmen und vielleicht Jobs anbieten möchten, sprechen mit Claudia Kaiser (455-2889) oder Aida Ramic ( 455-2890).