mülheim. . Erich Bocklenberg war viele Jahre der Chef-Denkmalpfleger der Stadt. Als Rentner führt er einen Kampf, um die VHS in der Müga zu erhalten.

Erich Bocklenberg kümmert sich um bedrohte Arten. Nur sind diese nicht aus Fleisch und Blut oder aus Zellulose, sondern aus Stein. Der 68-Jährige ehemalige oberste Denkmalschützer der Stadt sorgt sich auch im Ruhestand um Gebäude, die er für erhaltenswert hält. Die VHS in der Müga gehört dazu, darum kämpft er seit gut einem Jahr, wie er vielleicht noch nie um ein Haus gerungen hat. Bocklenberg gehört zu dem kleinen Team, das die VHS in der Müga retten will und dafür bereits gut 11.000 Bürger in der Stadt auf seine Seite gezogen hat.

Viele Bauten in Mülheim standen mal auf der Kippe, waren bedroht, wie der Denkmalschützer sich erinnert: das Solbad Raffelberg, das Speldorfer Depot, was als Schandfleck verschrien worden sei, sogar das Schloss zählt er auf.

„Ein Haus bedeutet immer mehr als ein Dach über dem Kopf“

„Denkmalschützer müssen Kämpfer, Überzeuger sein. Sie brauchen eine Schluckermentalität bei manchen Widerständen“, sagt Bocklenberg und weiß, dass viele seiner Kollegen ausgebremst wurden, mancher auch das Handtuch warf. Seine Botschaft ist: „Ein Haus bedeutet immer mehr als ein Dach über dem Kopf; ein Gebäude ist immer auch ein sozialer Lebensraum, ein Ort der Begegnung, ein Ort mit Geschichte, oft ein Ort zum Entfalten.“ Deshalb gehe es auch immer um weit mehr als nur um die Steine als Hülle.

Bocklenberg kommt aus einem musikalischen Elternhaus. Doch den Drang zur Musik verspürte er weniger, mehr zum Gestalterischen. „Ich habe schon früh viel gezeichnet und gemalt“, erinnert er sich. Eine Tätigkeit, die er auch heute noch gerne macht. Er stammt aus Düsseldorf, zum Studium der Architektur zieht es ihn nach Aachen. Dort und auch später geht es ihm nicht darum, Imposantes neu zu entwerfen. Sein Schwerpunkt wird die Altbau-Sub-stanz und die Frage: Wie entwickeln sich historische Stadtteile? Bocklenberg sagt: Architektur ist auch ein sozialer Beruf.“

1979 kam er zur Stadtverwaltung Mülheim. Es war die Zeit, als das Denkmalschutzgesetz auf den Weg gebracht wurde. Sein Job in Mülheim: die Erfassung aller historischer Bauten. Er habe dafür einen Werksvertrag erhalten, für drei Jahre. Er wurde quasi in der Zeit zu dem, was er dann sein ganzes Berufsleben war: der Sachverständige in Mülheimer Denkmalfragen. „Mir ging es immer darum, nicht per Gesetz zu maßregeln, sondern darum, zu überzeugen“.

Die Möglichkeit des VHS-Abbruchs trifft ihn hart

Er habe jedoch immer wieder zu kämpfen gehabt mit Vorurteilen gegenüber dem Denkmalschutz, mit denen, die darin nur ein Hemmnis für neue Entwicklungen sahen, mit denen, die für das Moderne plädierten. „Dabei ist Denkmalschutz keineswegs der Erhalt des Status Quo“, betont Bocklenberg. Es gehe immer darum, ein Gebäude in seiner Substanz und Ausstrahlung zu erhalten und es zugleich weiter zu entwickeln. Darin sehe er auch sein aktuelles Engagement für die VHS in der Müga, jenes Bauwerk aus den 70er Jahren, dem er nicht nur einen hohen ästhetischen Anspruch zuschreibt, sondern auch eine große bautechnische und gesellschaftliche Bedeutung.

„Es ist weitaus mehr als das Rathaus ein Ort, an dem Bürger zusammenkommen, verweilen.“ Es treffe ihn hart, wenn er jetzt sogar hören müsse, dass der Kämmerer einen Abbruch in Erwägung zieht, falls das Gebäude nicht mehr im zumutbaren Rahmen wirtschaftlich genutzt werden könnte.

Zu einer Machtfrage dürfe die Zukunft der VHS aber nicht werden

Das Haus ließe sich, davon ist er überzeugt, mit relativ einfachen Mitteln wieder gebrauchsfähig machen, „aber eben nicht zukunftsfähig“. Dafür müsse es endlich auch mal ein Zukunftskonzept geben, fordert er und verweist darauf, dass dies schon lange gefordert werde. Er erinnert an die Alt-Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld, die mal das VHS-Areal als das beste Grundstück der Stadt bezeichnet habe.

An dem Bürgerbegehren zum Erhalt des Baus, das er mit initiiert hat, hält er fest. Derzeit entscheidet ein Gericht darüber, ob es zulässig war. Bocklenberg ist überzeugt, dass ihm künftig eher noch mehr Menschen im Ringen um das Haus den Rücken stärken werden. „Es darf jedoch nicht zu einer Machtfrage werden.“ Das wäre die schlechteste Lösung. Miteinander reden, überzeugen – das wäre für ihn der beste Weg.

Der Einsatz für die VHS kostet ihn momentan viel Zeit

Der Denkmalschützer lebt auf der Heimaterde in einem, wie er es bezeichnet, eher schlichten Haus. Möchte er woanders leben? Saarn, Kettwig – das gefiele ihm auch gut. Er lobt den Innenhafen von Duisburg und ist von Ruhrbania an der Ruhrpromenade enttäuscht. „Investoren-Architektur“, sagt er.

Sein VHS-Einsatz kostet ihn derzeit jede Menge Zeit. Was bleibt, verbringt er auch wieder mit Zeichnen. Einmal im Jahr geht er eine Woche mit Freunden wandern – meist in Deutschland. Natur genießen, schönen Bauten bewundern. Es gibt noch viele.

>>> Serie über Menschen des Jahres 2018
Wir setzen eine kleine Tradition fort: In loser Folge stellen wir über den Jahreswechsel Menschen aus Mülheim vor, die in dem Jahr 2018 etwas Besonderes erlebt oder geleistet oder sich für eine Sache in der Stadt sehr stark engagiert haben, aber eigentlich gar nicht so bekannt sind.

Wir starten mit Erich Bocklenberg, der das Bürgerbegehren zur Rettung der VHS in der Müga mit auf den Weg gebracht hat.