Mülheim. Die Mülheimerin Amelé Ekoué erinnert sich an lebendige Gottesdienste und geschmückte Mangobäume. Als Erwachsene sucht sie nach innerer Einkehr.

Die Lehrerin Amelé Ekoué aus der Heimaterde hat ihre Kindheitserinnerungen in einem blauen Fotoalbum gesammelt: Da ist ihre Mutter in einem traditionellen Gewand; dann sie mit dem Vater, einem Lehrer, an einer Kreidetafel; auch das Foto, das ihre Geschwister und sie in Schwarzweiß zeigt. Entstanden ist der Schnappschuss in Togo, um genauer zu sein in der Landeshauptstadt Lomé, als Ekoué etwa zehn oder elf Jahre alt war — und zwar an Heiligabend.

Dieser Schnappschuss von Anfang der 1980er Jahre zeigt Amelé Ekoué (Dritte von links) mit ihren vier jüngeren Geschwistern.
Dieser Schnappschuss von Anfang der 1980er Jahre zeigt Amelé Ekoué (Dritte von links) mit ihren vier jüngeren Geschwistern. © Tamara Ramos

Am späten Abend des 24. Dezember gehen religiöse Menschen in die Kirche — auch die Familie von Amelé Ekoué, als sie klein ist. „Die Gottesdienste sind lebendig. Wir sangen Gospels, tanzten, klatschen“, sagt die Lehrerin. „Für uns Kinder war Weihnachten ein großes Fest“, sagt die 46-Jährige, die oft um ein Jahrzehnt jünger geschätzt wird. Ekoué lebt seit nunmehr 16 Jahren im Ruhrgebiet und ist mit dem IT-Spezialisten Jan Sickinger verheiratet. Wie in Togo üblich, bekamen Ekoué und ihre Geschwister als Kinder Geschenke: neue Kleidung und Schuhe, aber auch jedes Kind noch etwas, was es sich gewünscht hatte.

Erinnerung an eine besondere Bescherung

An eine Bescherung kann sich Ekoué noch heute gut erinnern: Sie war elf Jahre alt. Ihr jüngerer Bruder, der oft stur und widerspenstig war, bekam als Symbol für sein Gemüt einen Krabbenpanzer geschenkt. „Auch eine Notiz vom Weihnachtsmann war dabei. Da stand: ,Wenn du im nächsten Jahr fleißig und gehorsam bist, dann bekommst du etwas, was du dir wünschst.’“ Anders als in Deutschland ist in Togo Bescherung am ersten Weihnachtstag.

In der Adventszeit dekorierten die Ekoués ihre Wohnräume mit Baumkugeln und oft selbstgebastelten Girlanden. Einen Tannenbaum gab es nicht, ebenso wenig einen anderen Baum, den sich die Familie ins Haus stellte. Vielmehr: Kokospalmen im Haushof, die mit Girlanden geschmückt wurden. Auch Mangobäume wurden mancherorts dekoriert.

Ein Schluck Fanta oder Cola als Höhepunkt

„Zu essen gab es all das, was es sonst im Jahr nicht gab — und das machen viele Familien noch so“, erzählt Amelé Ekoué weiter. Reis, Hühnchen, Schweinefleisch, auch ein Schluck Fanta oder Cola kamen und kommen auf den Tisch in togolesischen Haushalten.

In Deutschland ist Weihnachten für Ekoué eine Zeit innerer Einkehr, der Glaubensfindung. „Am 24. Dezember sind wir zu einem Gottesdienst meines Vaters gegangen“, sagt Jan Sickinger. Der Vater des IT-Spezialisten war 38 Jahre lang evangelischer Pfarrer in der Erlöserkirche in Heißen und ist immer noch ab und an aktiv. Danach feierten Ekoué und ihr Mann Heiligabend beim Schwiegervater. Und heute steht ein Besuch des Gottesdienstes der freikirchliche Gemeinde, House of Solutions, an. Die Gemeindemitglieder dort kommen aus vielen Ländern. Tanz, Gesang und Speisen, auch aus Togo, lassen Ekoué an ihre Kindheit denken.