Mülheim. Im neuen Frauenstudiengang an der Hochschule Ruhr West sind Studentinnen vier Semester unter sich. Das Angebot gibt es NRW-weit nur in Mülheim.

Maschinenbau ist doch Männersache – dieses veraltete Rollenbild ist im 21. Jahrhundert noch nicht ausgestorben. Und viele junge Frauen, die sich durchaus für technische Berufe interessieren, bekommen das zu spüren. Nadine Hortscht (23) studierte zunächst Wirtschaftsingenieurswesen in Düsseldorf. Nicht nur die übervollen Hörsäle haben sie gestört, auch, dass die Männer im Studiengang oft unangemessen reagiert hätten. „Ich habe mich oft nicht gleichberechtigt gefühlt“, sagt sie. Nach zwei Semestern suchte Nadine Hortscht, die bereits einen Bachelor in Mode- und Designmanagement in der Tasche hat, nach einer Alternative.

Pro Jahr können 60 Studentinnen anfangen

Diese fand sie an der Hochschule Ruhr West (HRW): Seit einigen Wochen studiert die 23-Jährige mit 15 anderen Frauen in Mülheim im Frauenstudiengang Maschinenbau. Start war im Wintersemester. Künftig können jährlich 60 Studentinnen aufgenommen werden.

Im Frauenstudiengang wird nichts anderes vermittelt, gelernt oder geprüft, als im parallel laufenden koedukativen Studiengang auch, wo im ersten Semester 110 Männer und elf Frauen Maschinenbau studieren. Nur der Einstieg ist im Frauenstudiengang anders: Vier Semester lang sind die Frauen unter sich, erst im fünften werden beide Studiengänge zusammengeführt, um nach sieben Semestern mit dem Bachelor of Science abzuschließen. Mit diesem Angebot hat die HRW in NRW ein Alleinstellungsmerkmal. Bundesweit gibt es, so Prof. Alexandra Dorschu, nur sechs Frauenstudiengänge, darunter Wirtschaftsingenieurswesen, Elektrotechnik, Informatik.

Werbung an den Schulen im Umkreis

Studiengangleiterin Dorschu hat den Frauenstudiengang mitentwickelt und seit einem Jahr an den Schulen im Umkreis dafür geworben. Die 33-Jährige lehrt Mathematik und Mechanik für angehende Maschinenbauer und betont, dass es der HRW nicht darum gehe, die Frauen zu separieren, sondern darum „einen Raum zu schaffen, wo sie sich frei entfalten können“. Die Idee: Mehr Frauen dazu zu bewegen, Maschinenbau zu studieren, sie von diesem Berufsbild zu überzeugen und ihnen den Zugang zum Ingenieurstudium zu erleichtern.

Denn Maschinenbau, das ist ja nicht längst nicht mehr nur klassischer Anlagenbau oder Schwerindustrie, das ist heute ein weites Feld von Produktentwicklung, Medizintechnik, Energie, Umwelt, Leichtbau, Bionik und, und, und...

Maschinenbau: Spannendes, kreatives Fach

Alexandra Dorschu hat an den Schulen in viele überraschte Mädchengesichter geblickt: „Wenn ich das gewusst hätte...“ Nadine Hortscht sagt: „Viele Frauen denken, das Studium ist trocken und super zahlenlastig. Ich sehe den Maschinenbau sehr kreativ. Es gibt doch kaum etwas Vielseitigeres – man kann doch fast in jede Sparte gehen!“ Das Studium sei hoch interessant und spannend – „es bereitet mir sehr viel Freude“. Dazu trägt sicher auch bei, dass die Studentinnen im Frauenstudiengang sehr viel zusammen machen und sich gegenseitig unterstützen.

Nadine Hortscht, die nach dem Abi Modedesign studierte, merkte erst im Praktikum, dass die Modebranche nicht so ihr Ding ist. Sie wollte lieber etwas Nachhaltiges machen. Beim Jobben im Ingenieurbüro ihres Vaters bekam sie einen ersten Einblick in die Branche. Das Interesse wuchs, sie beschloss, Maschinenbau zu studieren. So ist anzunehmen, dass der Familienbetrieb in Düsseldorf zukünftig in vierter Generation wohl erstmals von einer Frau geführt werden wird.

Fast 30 Prozent Professorinnen an der HRW

An der Hochschule Ruhr West (HRW) sind an beiden Standorten 6377 Studierende eingeschrieben, davon 1669 Frauen.

Auf dem Campus Mülheim studieren 4687 junge Leute, 1335 sind weiblich. (Bottrop: 1690 Studierende, 334 Frauen)

Unter den 82 Hochschullehrern sind 23 Professorinnen.