Mülheim. . An Aktienstraße droht ein Tempolimit, weil die Stickstoffdioxidwerte seit Jahren über dem Grenzwert liegen. BAMH stellt Messverfahren in Frage.
Nach der Kölner Straße in Selbeck ist nun auch für die Aktienstraße die Einrichtung einer Tempo 30-Zone in der Überlegung. Hintergrund ist die ständige Überschreitung der Messwerte von Stickstoffdioxid (NO2) an der Aktienstraße: Seit über einer Dekade liegt der Jahresmittelwert für Stickoxide dort über den erlaubten 40 µg/m³.
Drohende Verkehrseinschränkungen an einer Durchgangsstraße sorgen die Politiker. Die Fraktion Bürgerlicher Aufbruch Mülheim (BAMH) geht davon aus, dass die Berechnungsgrundlage für die Stickoxidbelastung durch den Autoverkehr vor Ort nicht korrekt ist.
Um eine Grundlage für die politischen Entscheidungen zur Schadstoffreduzierung – etwa über Maßnahmen wie Tempo-30-Zonen – zu haben, hat sich Mülheim der Fördermittel des Bundes bedient, um durch externe Experten ein Gutachten, einen „Masterplan“ zur Reduzierung der Luftschadstoffe erstellen zu lassen. 208.000 Euro hat das gekostet, die Kosten hat das Bundesverkehrsministerium komplett getragen. Einer der Schwerpunkte des Masterplans: Sofortmaßnahmen zur kurzfristigen Verbesserung der schlechten Luftwerte an der Aktienstraße.
Fritz: Berechnungsgrundlage im Masterplan fehlerhaft
Für die Messwerte an der Aktienstraße wird ein so genannter „Passivsammler“ verwendet. Das Gerät steht in der Kritik der BAMH: Weil hier Prüfröhrchen Schadstoffe sammeln, die später im Labor ausgewertet werden und monatliche Durchschnittswerte ergeben, so BAMH-Ratsherr Dr. Martin Fritz, „eignen sich Passivsammler nicht als Gestaltungsgrundlage für die geplanten baulichen Maßnahmen.“ Auch könne man so nicht messen, wie hoch die NOx-Werte an der Aktienstraße täglich sind. Möglicherweise lägen die Werte an vielen Tagen sogar deutlich unter dem Grenzwert.
Zudem sei, so Fritz, die Berechnungsgrundlage im Masterplan fehlerhaft. Sein Argument: An jedem Standort, an dem Luftschadstoffe gemessen werden, setzen sich die Einflussfaktoren dort aus drei Komponenten zusammen: 1. die überregionale Hintergrundbelastung (z.B. Industrieanlagen in Duisburg); 2. Einflussfaktoren aus dem regionalen urbanen Umfeld (z.B. der Motor-Rasenmäher in Heißen oder Saarn), und 3. den tatsächlich am Messpunkt zum Beispiel durch Diesel-Autos erzeugten Emissionen von Schadstoffen.
Das stehe auch so im Masterplan. Aber die Autoren verzichteten laut Fritz in ihren Berechnungen auf die Unterscheidung der Punkte 2. und 3. und rechneten diese beiden Komponenten zusammen. Dr. Fritz bemängelt nun, dass das Ergebnis eine Verdoppelung jenes Werts ist, der durch Verkehrsbeschränkungen ja ohnehin nur zur Hälfte beeinflussbar wäre. Laut Fritz sei es nicht korrekt, eine Tempobeschränkung an der Aktienstraße zu fordern, wenn die dort gemessenen Emissionen aus dem regionalen Umfeld doch auch zu den NOx-Messwerten beitrügen. Denn allein durch Verkehrseinschränkungen könne der NOx-Wert dann nicht signifikant gesenkt werden, argumentiert Fritz.
Ein Recht auf Gesundheitsschutz
Die BAMH-Fraktion will im nächsten Umweltausschuss am 4. Dezember den Antrag stellen, dass diese Aussage im Gutachten korrigiert wird. Martin Fritz, studierter Verfahrenstechniker, will das den Politikern im Ausschuss mit Zahlen und Diagrammen erläutern.
Für das Mülheimer Umweltamt ist letztlich entscheidend, dass die permanente Überschreitung des Grenzwertes an der Aktienstraße die Stadt rechtlich zum Handeln verpflichtet, betonte Amtsleiter Dr. Jürgen Zentgraf. Wer an der Aktienstraße wohne, habe ein Recht auf Gesundheitsschutz. Eine Behörde könne zudem nur an den Stellschrauben drehen, auf die sie Einfluss habe, und das sei nun mal der Verkehr. Bei Einrichtung einer Tempo-30-Zone „geht es um die Verstetigung des Verkehrs.“ Zentgraf betonte, dass die Gutachter im Masterplan ein standardisiertes Verfahren nach EU-Norm verwendet hätten, unter Berücksichtigung einer aktuellen Verkehrszählung.
BAMH setzt sich für permanent messendes Gerät ein
Die BAMH-Fraktion will den Passivsammler an der Aktienstraße durch ein permanent messendes und online abfragbares Messgerät ersetzen lassen, um tatsächliche Tages-Werte zu erhalten, bevor es zu baulichen Maßnahmen wie Spurverengungen an der Aktienstraße kommt, um Tempo 30 durchzusetzen.
Nach Vorstellung der BAMH-Fraktion könnte das Messgerät später an andere Kommunen mit ähnlichen Problemen veräußert oder vermietet werden, um die Kosten für die Anschaffung – rund 40 000 Euro – zu decken.