Mülheim. . Beim Seitenwechsel auf der Duisburger Straße werden Radler auf eine nicht minder gefährliche Strecke und in Konflikte mit Fußgängern geschickt.

„Geisterradfahrer: Seite wechseln!“ – von den großen Hinweisplakaten der jüngsten Aktion von Polizei und Stadt sind an der Ecke Duisburger, Karlsruher Straße nach zwei Wochen nur noch die Kabelbinder zu sehen. An der stark befahrenen Speldorfer Kreuzung sollen Radler, die aus Mülheim Richtung Duisburg auf einem Zweirichtungsradweg unterwegs sind, plötzlich die Seite wechseln.

Aus Sicherheitsgründen. Doch mit der Anordnung schickt die Stadt die Radler auf eine nicht minder gefährliche Strecke und in den Konflikt mit Fußgängern.

Die meisten Radfahrer ignorieren das Schild

Kaum verwunderlich also: Es halten sich nur wenige Radfahrer daran. Nicht nur an diesem Mittwochmittag gibt es kaum jemanden, der hier – nachdem er für gut 650 Meter auf einen Radweg in beide Richtungen gewechselt hat – wieder zurück auf die rechte Seite strampelt, um weiter nach Duisburg zu kommen. Die meisten Radfahrer stochen am gelben Verkehrsschild mit dem Pfeil nach rechts vorbei und einfach gerade durch.

Es ist nicht nur die Macht der Gewohnheit: Bis vor einiger Zeit gab es das gelbe Schild noch nicht, galt der Radweg als Zweirichtungsweg auch zwischen Karlsruher und Saarner Straße als sicher – den Umständen entsprechend. Obwohl er hier gerade einmal knappe 1,50 Meter breit wird und zwischen Bordstein und einem Parkstreifen entlang führt.

Alte Symbole auf dem Radweg etwa auf Höhe Haydnweg 10 zeigen zwei weiße Fahrräder, jeweils nach Mülheim und Duisburg.

Ein Sinnbild gefährlicher Fehlplanung

Aus heutiger Sicht ist dieser hineingequetschte Zweiwegeradweg ein Sinnbild gefährlicher Fehlplanung: Wenn ein Auto hier aus einer der vielen Einfahrten und Nebenstraßen stößt, wenn es einparken will oder ein Beifahrer die Tür aufmacht, kann es auf dem engen Weg schnell krachen. Die Entscheidung, an der Ecke Karlsruher Straße die Weiterfahrt nach Westen zu verbieten, ist deshalb zunächst vernünftig. Doch die nun von der Stadt verordnete „Alternative“ ist kaum weniger gefährlich als das vermeintliche Geisterfahren.

Denn Radler sollen nun auf dem Bürgersteig gemeinsam mit Fußgängern weiterstrampeln – „im Schritttempo“, wie das weiße Schild unter dem blauen Verkehrszeichen für einen Gehweg anordnet. Der Gehweg würde im Normalfall das Radeln ausschließen, und dies aus gutem Grund: Gerade einmal 2,47 Meter hat die gegenüberliegende Seite an gemeinsamer Fläche für Fußgänger und Pedalentreter, allerdings auch nur an der breitesten Stelle. Zahlreiche Masten reduzieren die Breite – ähnlich wie auf der Schloßbrücke – auf 1,67 oder nur 1,20 Meter.

Zudem gibt es auch hier einige Ausfahrten und Hauseingänge. „Die Anwohner rechnen doch nicht mit Radfahrern, wenn sie aus dem Haus gehen“, schüttelt Brigitte Stollen den Kopf. Warum auch, es gibt hier schließlich keinen gekennzeichneten Radweg. Noch kritischer wird es weiter oben an der Haltestelle „Jacobsstraße“. Hier führt der Fuß- und Radweg mitten durch. „Das geht gar nicht“, meint die pensionierte Lehrerin. Das weiße Schild mit dem Hinweis „Schritttempo fahren“ ist für sie lediglich eine Ausflucht der Stadt, die keine gute Lösung anbietet – „anstelle einen Radweg einzurichten, soll man so tun als ob“.

Hinweis ,Schritttempo’ genügt nicht

Brigitte Stollen meidet deshalb diese vermeintlich ungefährlichere Straßenseite, fährt notfalls weiterhin als ,Geisterradlerin’. Autofahrer sollen aufmerksam und langsamer aus Einfahrten und beim Abbiegen fahren, fordert sie: „Jedem Kind im vierten Schuljahr wird beigebracht, dass man an der Straße nach rechts und nach links schaut. Das wird ja wohl auch einem erwachsenen Autofahrer zuzumuten sein“, meint sie.

Hingbergstraße: Markierung auf dem Pflaster fehlt

Zum Thema Geisterradeln sind einige Hinweise von Lesern eingegangen, die vor weiteren gefährlichen Stellen warnen. Volker Salzmann bemängelt etwa die Markierungen für das Radfahren auf dem Gehweg auf der Hingbergstraße.

Dort „ist das Radfahren in beiden Richtungen erlaubt. Ohne irgendwelche Markierungen oder Hinweise auf dem Pflaster. Sehr gefährlich für Fußgänger und Radfahrer gleichermaßen. Ich kann die Entscheidung der Verantwortlichen der Stadt Mülheim nicht verstehen, so eine Gefahrenquelle bewusst in Kauf zu nehmen.“

Erika Beinert hingegen meint: „Regeln sollten eingehalten werden. Genauso klar ist auch, Regeln müssen überprüft werden. Was bringen sie, brauchen wir sie? Seit 50 Jahren befahre ich die Brücke Richtung Stadtmitte links und es war nie eine Gefährdung erkennbar. Bestimmt muss nicht untersagt werden, die Brücke links zu befahren; vielleicht reicht ein roter Pfeil, der besagt, dass der Gegenverkehr Vorfahrt hat. Das wäre weniger gefährlich als eine doppelte Straßenüberquerung und das Fahren auf engen und hohem Radweg rechts.“

An dieser Stelle an der Duisburger Straße, Ecke Karlsruher Straße, sollen Radler die Seite wechseln.
An dieser Stelle an der Duisburger Straße, Ecke Karlsruher Straße, sollen Radler die Seite wechseln. © Jörg Schimmel

Sabine Meier schreibt: „Ich habe jahrelang an der Duisburger Straße gewohnt und zwar dort, wo der Radweg in beide Richtungen gleichzeitig führt. Ich bin mit dem Rad zur Arbeit gefahren. Und habe an jeder Einmündung angehalten - obwohl ich Vorfahrt hatte - um zu sehen ob ein Auto kommt. 99% der Autofahrer bremsen – trotz Vorfahrt-Achten-Schild – erst wenn sie auf dem Radweg stehen und schauen ob von links/rechts Autos kommen.“ Auch an der Schloßbrücke sieht sie Probleme, wenn man auf der ,richtigen Seite’ radelt: „Ich bin oft aus Speldorf kommend in die Stadt geradelt und habe letztendlich immer die Mühlenbergkreuzung gequert, um auf der „falschen“ aber breiteren und sicheren Seite zur Stadt zu radeln. Ich habe da nie eine brenzliche Situation erlebt, auf der „richtigen“ Seite aber sehr oft.

Radweg in beide Richtungen freigeben

Grade auf der Schloßstraße sollte der Radweg in beiden Richtungen freigegeben werden. Und auch in Richtung Mülheim-Saarn, denn ab Heuweg ist der Radweg – der dann ja auf der richtigen Seite weitergeht – auch so eng, dass man keine Chance hat, dort richtig zu fahren, wenn dort Fußgänger unterwegs sind.“

>>> RADWEGE UNTER DIE LUPE NEHMEN

Der ADFC will zum nächsten Aktiventreffen am 15. November verschiedene Radwege unter die Lupe nehmen, an denen Geisterradeln oft vorkommt.

So etwa die Mendener Brücke, am Dickswall im Bereich Forum, an der Schloßbrücke, am Kassenberg im Bereich Heuweg, an der Duisburger Straße und Leineweberstraße.