Mülheim. . Die Kulturschmiede stehe erst am Anfang ihrer Entwicklung, heißt es. Lesung mit Titanic-Autorin Paula Irmschler muss sich auch erst warmlaufen...

Es ist gar nicht so lang her, dass Klaus Urbons und Jan Ehlen im Juni den Vertrag für das Prüßmann-Haus neben dem Mülheimer Rathaus unterschrieben haben. Und doch hat sich für das Makroscope eine Menge außen und innen getan. Zur Lesung am vergangenen Samstag mit der Titanic-Autorin Paula Irmschler konnte man sich ein Bild vom neugestarteten Kulturtreffpunkt machen.

Die Frontschaufenster des Makroscope stehen nicht länger leer, sind noch pragmatisch dekoriert. Für die breite weiße „Hohlkehle“ über den Schaufenstern überlegt Jan Ehlen in Zukunft etwa Projektionen, damit der neue Anlaufpunkt noch sichtbarer wird.

An zentraler Stelle zwischen Ruhr und Hauptbahnhof

„Wir sind noch am Anfang“, verspricht der Mülheimer Künstler, der regelmäßig im Ringlokschuppen das Shiny Toys-Festival ins Leben ruft, noch viel Kreativität für die Kulturschmiede. Als Pfund hat sich bereits die zentrale Stelle zwischen Ruhr und nahem Hauptbahnhof erwiesen, „Leute, die aus Bochum und Dortmund mit der Bahn kommen, finden leicht zu uns“, sagt Ehlen.

Drinnen ist das Ladenlokal noch bewusst weiß und schmucklos gehalten – 100 Quadratmeter zum Musikhören, für kleine Elektro-Konzerte, Ausstellungen, zum Kneipenabend an jedem zweiten Freitag im Monat, der in augenzwinkernder Einfachheit „Trinken – wechselnde musikalische und alkoholische Schwerpunkte“ heißt.

Die Gedanken eines Karpfen

Abgeteilt durch einen Vorhang ist im hinteren Bereich ein bestuhlter, aber flexibler Multifunktionsraum mit nochmals gut 70 Quadratmetern. Titanic- und „Neues Deutschland“-Autorin Paula Irmschler und Benjamin Weissinger, der am Samstagabend für den verhinderten Ex-Titanic-Chef und Kollegen Leo Fischer eingesprungen ist, haben am Samstag ihre Zelte hier aufgeschlagen, um über polymorph-sexuelle Roboterpuffs für Frauen, Gedanken eines Karpfen oder das Leben als Porree zu berichten.

Gut 30 Leute sind gekommen, um launig-lakonisch zwischen Satire und bewusstem Stuss in den Samstagabend zu starten. Der scheint anfänglich noch den Beweis antreten zu wollen, dass witzige Kolumnenschreiber womöglich nicht ihre eigenen Texte vorlesen sollten. Irmschler nuschelt und nölt ihre Pointen vom Laptop runter wie ein zur Fürbitte gegängelter Konfirmand. „Ihr seid so schweigsam, sonst wird mehr gelacht“, zeigt sich die hinterm Computer verschanzte und ansonsten scharfzüngige Kolumnistin verunsichert. Beim Ablesen der eigenen Facebook-Seite „Die Zwiebelmaschine“ schlurfen sich beide bis zur Pause allmählich warm.

Absurde bis surreale Geschichten

Dabei stimmt die Mischung inhaltlich: Benjamin Weissinger schreibt absurde bis surreale Kurzgeschichten unter anderem in seinem Blog diesaftpressederleutevomortundderjunge.com, etwa wie eine Bürgerwehr im sauerländischen 140-Seelendorf aus Frust vor der vergeblichen Suche nach Verdächtigen am Ende wenigstens die Scheune abfackelt. Wie ein Busexperiment mit Schauspielern ausgeht oder ein Geschäft für Blumenkohl ohne alles auf die Hand scheitert.

Paula Irmschler verrät, „warum der Typ, der sagt, er zieht irgendwann weg, aber immer noch da ist“ oder wie die Sprüche für eine Demo gegen den bissigen Staffordshire-Mischling Chico lauten könnten. Oder lästert ungeniert über Frauen in der Prä- und Post-Menstruationsphase. Wer die Titanic schätzt, bekommt von der Autorin zumindest inhaltlich eine gute Breitseite geliefert. Am Ende gibt’s deshalb doch noch Versöhnung und viel Applaus für die Satiriker.

>> GRÖSSEN AUS PUNK INTERVIEWT

Einfach zum Reinschauen und Kennenlernen: Der Kneipenabend „Trinken I“ im Makroscope, Friedrich-Ebert-Straße 48, startet am kommenden Freitag, 12. Oktober, um 19 Uhr.

Die nächste Lesung im Makroscope ist am Freitag, 26. Oktober, mit Texten des verstorbenen Autoren und freien Journalisten Martin Büsser, der in den 80ern und 90ern Punk- und Alternative-Größen wie Henry Rollins, Courtney Love, Sonic Youth und Nirvana interviewte.

Zu „Für immer Pop“ liest Testcard-Autor Jonas Engelmann aus dem reichhaltigen Fundus Büssers vor. Eintritt 5 Euro, Beginn 20 Uhr.