An manchen Stellen in Mülheim sind 50 Prozent der Verkehrsschilder überflüssig. Sie verwirren - und überfordern.

Es leuchtet ja aus eigener Erfahrung im täglichen Straßenverkehr ein: Man sieht den Weg vor lauter Schildern nicht. „Drei bis vier Verkehrszeichen können wir noch wahrnehmen”, sagt Hartmut Minjoth, beim ADAC zuständig für Verkehr und Umwelt. Alle anderen Schilder entgehen unseren Blicken.

Ständig wird also – aus wahrnehmungsbedingter Überforderung – gegen geltende Verkehrszeichen verstoßen. Vereinfachung lautet das Zauberwort im komplexen städtischen Zeichendickicht: Simplicity. Dass nun der ADAC, zusammen mit der Stadtverwaltung, der Polizei, der Bezirksregierung Düsseldorf des Verkehrsministers sowie dem Planerbüro Südstadt gegen den Schilderwald in Mülheim (und auch in Arnsberg) vorgehen will, erscheint zumindest Minjoth folgerichtig: „17 Millionen unserer Mitglieder fahren Rad, Auto oder sind zu Fuß unterwegs. Wir wollen flüssige und sichere Mobilität erreichen.”

Angeblich können in Mülheim-Heißen von 301 vorhandenen Schildern 126 demontiert werden. Auf der Mellinghofer Straße zwischen Pilgerstraße und A 40 seien allein 111 von 227 Verkehrszeichen entbehrlich. Fast die Hälfte, also. An der Leineweber Straße können 105 aus dem Bestand von 204 entsorgt werden. Das sind bereits über 50 Prozent. Aber wer hat die überhaupt dorthin gestellt – und warum? Es waren die alten Gedankenstrukturen, mutmaßt Minjoth, man ging davon aus, dass Autofahrer immer bewusst fahren und sich deshalb an Schildern orientieren müssen. „Unsere Städte sind daher wie Einfamilienhäuser”, vergleicht der ADAC-Mann, „egal, wie großzügig man baut, es sammeln sich immer mehr Dinge dort an.” Irgendwann muss dann entrümpelt werden. „Und dazu braucht es Mut.”

Den Mut hat man nun wohl gefasst: Für die nächsten zwei Monate bekommen die Verkehrszeichen in Heißen und an den genannten Straßen gelbe Tüten übergezogen. Nur diejenigen sollen bleiben, so Minjoth, die absolut notwendig sind. Nach Ablauf der Textphase soll eine Kommission prüfen, welche davon weiterhin bestehen bleiben und welche der Reizüberflutung zum Opfer fallen.

Begleitet wird die Aktion vom Lehrstuhl für Straßenverkehrsplanung und -technik an der Wuppertaler Universität. „Im Verkehr müssen wir häufig eine zu große Fülle von Informationen aufnehmen”, bestätigt auch Sebastian Seipel, wissenschaftlicher Mitarbeiter, „wir erfassen mit dem ADAC vor Ort die Geschwindigkeiten, führen Unfallanalysen durch und ermitteln Unfalltypen”. Anhand von häufig auftretenden Typen erkenne man, ob Schilder wahrgenommen werden oder der Ort etwa durch schlechte Sichtbeziehungen problematisch ist. „Dann”, so Seipel, „führen wir eine Sicherheitsanalyse durch und beraten bei der Neuplanung.”

Simply-City bietet ebenfalls Bürgerbeteiligung an. Unter www.simply-city.de können Bürger ihre „Anregungen” für eine Vereinfachung des Stadtverkehrs mitteilen.