Mülheim/Oberhausen. „Wegweiser“ sitzt in Oberhausen, ist aber auch zuständig für Mülheim. Vorbeugung steht im Vordergrund. Kein Aussteiger-Programm.

Neuerdings weigert sich der Sohn, Mädchen in seiner Klasse die Hand zu geben, und er betet fünfmal am Tag gen Mekka. Oder die Tochter trägt plötzlich ein Kopftuch und möchte nicht am Schulausflug teilnehmen. All das können Anzeichen dafür sein, dass ein Jugendlicher sich zum Salafismus, also zu der radikalen und gewaltbereiten Variante des Islam, hingezogen fühlt. Es könnte aber auch einfach nur eine pubertäre Phase sein, pure Provokation.

Alarmierte Eltern, Freunde, Lehrer haben jetzt eine neue Anlaufstelle, bei der sie sich Rat holen können. Betroffene können auch selbst vorsprechen, falls ihnen Zweifel kommen. Mitte Mai hat die Beratungsstelle „Wegweiser“ in Oberhausen-Alstaden ihre Arbeit aufgenommen. Sie ist die 14. Stelle dieser Art in Nordrhein-Westfalen und auch für Mülheim zuständig. 25 Einrichtungen sind landesweit geplant.

Zwei Berater arbeiten bei „Wegweiser“ in Vollzeit, eine Frau und ein Mann. Beide sind Islamwissenschaftler, „weil man viel über Religion wissen muss, um aufzuklären und Argumente zu entkräften“, sagen sie. Ihre Namen sollen nicht in der Zeitung stehen, eine Vorsichtsmaßnahme, die das NRW-Innenministerium, Finanzier der Beratungsstelle, so vorgebe.

Kenntnis von Religion ist wichtig

Die Kenntnis von Religion und Kultur sei aber auch wichtig, um das Gegenüber zu verstehen und den Unterschied zu erkennen zwischen einem Salafisten und einem, der sich aus anderen Gründen mit dem Islam beschäftigt. Denn es seien häufig „religiöse Analphabeten“, die sich Extremen zuwendeten, erklären die „Wegweiser“-Leute. Um diese „zum Nachdenken zu bringen“, sei fundiertes Wissen über die Religion hilfreich.

Die Berater betonen, dass sie vorbeugend arbeiten und vor allem dafür sorgen wollen, dass sich jemand nicht radikalisiert, dass Warnzeichen früh ernstgenommen werden. Um ein Abrutschen in die Salafisten-Szene zu verhindern. Ein Aussteigerprogramm sei „Wegweiser“ nicht, dafür gebe es andere Angebote „an die wir im Ernstfall weitervermitteln“. So ist ihre Zielgruppe auch das Umfeld eines Jugendlichen, der sich auffällig verhält.

Szene entwickelt sich sehr dynamisch

Brüche in der Biografie (Scheidung der Eltern), Schwierigkeiten in der Schule – es sind solche Katastrophen in einem Teenager-Leben, die den Salafismus für einen Heranwachsenden spannend machen können. „Es sind Jugendliche gefährdet, die in ihren Grundfesten erschüttert sind, die Halt und einen Sinn suchen“, sagt die Beraterin. Dabei entwickle sich die salafistische Szene sehr dynamisch, mittlerweile gebe es viele Konvertiten, also Christen oder vorher Nicht-Religiöse, die zum Islam übergetreten seien. Frauen gehörten genauso dazu. „Auch das Thema Rückkehrer wird uns in den nächsten Jahren beschäftigen und starke Veränderungen mit sich bringen.“

Kein verlängerter Arm der Polizei

Die Berater betonen: „Wir sind kein verlängerter Arm der Polizei, wir unterliegen der Schweigepflicht“. Es sei denn, sie würden Kenntnis von einer Straftat bekommen und müssten Schaden von anderen Menschen abwenden. Sie bieten Gespräche an, Ursachenanalyse und Hilfen im Alltag.

Nach den Sommerferien wollen die beiden Berater in Schulen gehen. über Salafismus und ihr Beratungsangebot informieren. „Wir haben keine bestimmte Schule im Fokus, wir wollen ja keine abstempeln.“ Ihnen ist Aufklärung wichtig: „Der Islam ist die Religion, der Islamismus ist eine politisch motivierte Ideologie“, erklärt der „Wegweiser“-Berater, der selbst aus einem arabischen Land stammt.

Ihn als Moslem schmerzt der Missbrauch seiner Religion durch Extremisten, „eine ganze Religionsgemeinschaft wird dadurch verunglimpft“. Die Gruppe der Salafisten selbst sei nicht einheitlich, gemeinsam sei ihnen ein radikaler Konservatismus. Aber nicht jeder, der Bart und Pluderhosen trage, sei ein Salafist. Es könnte auch nur eine pubertäre Phase sein.

Sprechstunden und Kontakt

Die „Wegweiser“-Beratungsstelle an der Bogenstraße 32 in Oberhausen-Alstaden hat Sprechstunden eingerichtet: montags bis mittwochs von 14 bis 16 Uhr sowie donnerstags und freitags von 10 bis 12 Uhr.

Kontakt zu den Beratern gibt es auch telefonisch unter 8575632 oder per Mail: wegweiser@ruhrwerkstatt.de.