Mülheim. . Der Bericht der Märkischen Revision lag am Freitag erst wenige Stunden vor, da gaben Ulrich Scholten und sein Anwalt eine Erklärung ab.
Oberbürgermeister Ulrich Scholten setzt weiter auf Vorwärtsverteidigung. Nur wenige Stunden, nachdem die Vorwürfe hinsichtlich seiner Abrechnungen von Spesen und Reisekosten mit dem Gutachten der Märkischen Revision untermauert waren, erklärten er und sein Anwalt Dr. Thomas Hermes in der Essener Kanzlei Holthoff-Pförtner ihre Sicht der Dinge – Quintessenz: Alles unhaltbar. Was die Wirtschaftsprüfer vorgelegt hätten, sei kein Anfangsverdacht „unrichtiger Abrechnung“, schon gar nichts, was strafrechtliche Relevanz habe.
Scholten ließ damit die Vereinbarung platzen, mit Stellungnahmen zum Gutachten bis zum Tag der Hauptausschusssitzung am kommenden Donnerstag zu warten. Sein Anwalt erklärte das Vorpreschen damit, „dass sich ein bisschen der Verdacht aufdrängt, dass hier politische Gründe eine Rolle spielen“. Er habe den Eindruck, dass „auch die Staatsanwaltschaft instrumentalisiert werden soll“.
Prüfer sehen Pflicht, dienstliche Zwecke nachzuweisen
Auch der Staatsanwaltschaft sollte der Bericht der Märkischen Revision am Freitag zugänglich gemacht werden. Sie prüft bekanntlich, ob ein Anfangsverdacht der Untreue gegen Scholten vorliegen könnte. Im Bericht der Wirtschaftsprüfer, der dieser Zeitung am Freitag in Auszügen anonym zugespielt worden ist, wird Scholten zur Last gelegt, er habe bei der Abrechnung seiner Bewirtungs- und anderer Kosten nicht den Pflichten entsprochen, die etwa aus der Gemeindehaushaltsverordnung und der Gemeindeordnung abzuleiten seien.
Laut Argumentation der Wirtschaftsprüfer hätte der OB bei den eingereichten Belegen zu seinen Bewirtungen „nachprüfbare Angaben zu der dienstlichen Veranlassung“ machen müssen, was aber in seiner Amtszeit nur in seltensten Fällen vorzufinden sei. Darüber hinaus sei dies insbesondere eine Verpflichtung in Zeiten, in denen die Stadt im Nothaushalt agiere. Dann nämlich sei mittels der Angaben zusätzlich nachzuweisen, dass die Bewirtungen unausweichlich nötig gewesen seien. Die Verfügungsmittel des OB, so die Prüfer, oblägen wie anderes den Beschränkungen des Nothaushaltsrechtes.
Zoobesuch und Neujahrsfeier mit Mitarbeitern
Die Prüfer sehen für Bewirtungskosten der Jahre 2016 bis 2018 in Höhe von gut 10 000 Euro, in Rechnung gestellt hauptsächlich beim Italiener „Da Renato“ in Saarn, nicht den Nachweis einer dienstlichen Verwendung erbracht. Besonders heben sie ferner hervor, dass der OB über seine Verfügungsmittel einen Besuch mit Referatsmitarbeitern im Duisburger Zoo samt Bewirtung (967,70 Euro) sowie eine Neujahrsfeier (871,10 Euro) abgerechnet habe. Außerdem stellen sie in Frage, ob die Kosten für drei Workshops mit Mitarbeitern des OB-Referates – einmal der OB alleine mit seinem Referatsleiter Guido Brücker – im Landhotel Voshövel in Schermbeck angemessen seien. Fast 5000 Euro kosteten die Aufenthalte im Vier-Sterne-Superior-Hotel der Stadtkasse.
OB Scholten lud am Freitagnachmittag, nachdem das Gutachten der Wirtschaftsprüfer ihm zugestellt worden war, direkt zu einem Pressegespräch mit seinem Anwalt in dessen Essener Kanzlei ein. „Es gibt keine Rechtsvorschrift, die die Angabe von bewirteten Personen und Anlässen auf einem Bewirtungsbeleg von einem Oberbürgermeister verlangt“, sagte Anwalt Hermes. Der OB habe gegen nichts verstoßen, sämtliche Ausgaben seien dienstlich veranlasst gewesen. „Richtig ist“, so Hermes, „dass der dienstliche Zweck in der Vergangenheit häufig nicht dokumentiert wurde. Eine solche Dokumentation war nicht üblich, wurde nie verlangt und es gab auch nie Beanstandungen“. Einem Bericht der städtischen Rechnungsprüfer aus März 2017 sei lediglich die bekannte Empfehlung zu entnehmen, zum Zweck der Nachvollziehbarkeit und Transparenz Angaben zu Anlass und Teilnehmern von Bewirtungen zu machen. Eine rechtliche Verpflichtung dazu gebe es nicht.
Scholten hofft auf positive Prüfung der Staatsanwaltschaft
Dass Scholten nicht dokumentiert habe, wen er aus welchem Anlass bewirtet habe, mache „aus Gründen der Diskretion auch Sinn“, so Hermes. Selbstverständlich sei Scholten aber bereit, künftig für eine transparente Dokumentation zu sorgen, wenn die Dienstaufsicht bei der Bezirksregierung oder der Stadtrat es verlangten.
Scholten ließ am Freitag meist seinen Anwalt sprechen. Auf Nachfrage sagte er, dass er für den Hauptausschuss am kommenden Donnerstag hoffe, keine Diskussion mit der Politik führen zu müssen, die laut ursprünglichem Plan ja auch erst am Sitzungstag selbst das Gutachten samt umfangreicher Unterlagen zur Verfügung gestellt bekommen soll. Scholten und sein Anwalt hoffen, dass bei einer Diskussion erst im Rahmen der Ratssitzung Anfang Juli die Staatsanwaltschaft zum Ergebnis gekommen sein könnte, dass ein Anfangsverdacht der Untreue nicht vorliegt.
Kämmerer spricht von Wortbruch Scholtens
Dass OB Ulrich Scholten bereits am Freitag mit seinem Anwalt öffentlich Stellung bezog zum Gutachten der Wirtschaftsprüfer, bewertete Kämmerer Frank Mendack noch am gleichen Tag als „klaren Wortbruch“. Verwaltungsintern und mit dem Stadtrat sei vereinbart worden, dass sich alle Seiten mit einer Stellungnahme bis zum Tag der Hauptausschusssitzung am kommenden Donnerstag zurückhalten.
BAMH-Fraktionschef Jochen Hartmann nannte das Vorgehen des OB „eine Ungeheuerlichkeit“ und forderte, dass das Gutachten unverzüglich auch der Politik zugeleitet wird.