Mülheim. . Auf dem 42 000 qm großen Gelände der früheren Lederfabrik am Kassenberg hat der Abriss begonnen. Es entsteht ein Quartier für rund 500 Menschen.

Neue und gute Wohngebiete sind in Mülheim in den vergangenen Jahren viele entstanden – aber diese Lage sei nicht zu überbieten, sagt Thomas Weber, Prokurist bei der FDL Immobilien-Tochter der Sparkasse, und schaut dem Bagger zu, der die Gemäuer der ehemaligen Lederfabrik von Lindgens am Kassenberg niederreißt. Direkte Anbindung an der Ruhraue, kurzer Fußweg in die Innenstadt, das Dorf Saarn in Reichweite – „optimaler geht es nicht“, sagt Weber. Bis zu 500 Menschen könnten auf dem 42 000 Quadratmeter großen Areal direkt an der Ruhr demnächst ein neues Zuhause finden. Bis dahin gibt es noch reichlich Arbeit und einige offene Fragen zu klären.

Bauleiter Thomas Liemann von der Firma Herrmann aus dem Münsterland reißt nach dem Kaufhof auch diesen Komplex ab. Etwa ein halbes Jahr wird es dauern, vor allem die Trennung der Materialien kostet Zeit. In Sachen Altlasten gibt sich Thomas Maas von der Firma Aqua-Technik gelassen: „Alles ist untersucht worden. Ein Gutachten liegt vor.“ Hier und da noch Lederreste, vielleicht Ölreste, einige Schwermetalle in den meterhohen Aufschüttungen nach dem Krieg – „wir wissen, was uns erwartet“. Bedrohliches sei nicht dabei. Die 15 Messstellen zum Grundwasser werden weiter beprobt.

Schornstein und Kesselhaus unter vorläufigem Schutz

Die große Unbekannte bleibt für den Eigentümer und Investor SMW – Mülheimer Wohnungsbau (MWB) und Sparkasse – der Denkmalschutz. Der Schornstein und das Kesselhaus stehen unter vorläufigem Schutz, der Investor möchte beides abreißen, weil marode, nicht zu gebrauchen und aus seiner Sicht ohne Denkmalwert.

„Der Landschaftsverband Rheinland erwartet von uns jetzt noch weitere Abgaben zu den Bauten“, sagt Jürgen Steinmetz, Vorstand beim MWB, und wird in nächster Zeit die Ergebnisse von weiteren Kernbohrungen und von Mörteluntersuchungen sowie Aufnahmen aus dem Inneren des Schornsteins liefern müssen.

Zu den beiden Bauten Gutachten in Auftrag gegeben

Auch die Stadt hat zu den beiden Bauten Gutachten in Auftrag gegeben. Ergebnisse liegen noch nicht vor, so Planungsamtsleiter Felix Blasch. „Sobald diese vorliegen, werden wir uns mit SMW, den Gutachtern und dem LVR zusammensetzen.“ Neben der Frage des Denkmalschutzes geht es darum: Können Schornstein und Kesselhaus überhaupt baulich und wirtschaftlich erhalten werden? Das, so Blasch, könnten nur Experten beurteilen.

Von der Stadt erwartet SMW zudem die Ergebnisse des Verkehrsgutachtens und zur Frage, ob der Heubach künftig als offenes Gewässer über das Baugelände in die Ruhr fließen soll.

Zwölf Büros zum städtebaulichen Wettbewerb geladen

Zwölf Büros werden zum städtebaulichen Wettbewerb geladen: „Vier internationale, vier junge und vier renommierte Büros“, sagt Steinmetz. Eine Jury aus Architekten, Mitgliedern der Fachverwaltung und der Politik sollen dann entscheiden. Der Sieger des Wettbewerbs wird Grundlage für das Bebauungsplanverfahren sei, das noch einmal etwa 18 Monate dauern wird, bevor der erste Stein gesetzt werden kann.

Sollten Schornstein und Kesselhaus als Denkmäler stehen bleiben, werde die Zahl der Wohnungen und Häuser kleiner ausfallen, heißt es. Derzeit ist von 200 Einheiten die Rede. „Wir werden nicht 200 Reihenhäuser oder Doppelhaushälften dahin setzen“, sagt Steinmetz. Die Mischung ist das Ziel, auch mit geförderten Mehrfamilienhäusern.

10 000 Steine zum Ausbessern

Mit 10 000 Tonnen Bauschutt rechnet Liemann. 10 000 Ziegelsteine wird man aufbewahren für Ausbesserungsarbeiten an den verbleibenden Gebäuden. Die alte Wasserwerkstatt der Gerberei ist so gut wie abgerissen, die Schlosserei folgt, dann die Halle der Chemikalien, dann die Halle, wo die Häute gesäubert wurden. Die Lederfabrik am Kassenberg war die letzte in der fast 400 Jahre langen Gerberei-Geschichte in der Stadt. „Auf das Gelände noch mal Gewerbe anzusiedeln, wäre zu schade“, sagt Weber. Der Mensch sollte dort schön leben.

>> ARTENSCHUTZ VOR ORT

Mit Artenschutzbeauftragten ist das Gelände untersucht worden. Mögliche Stellen an den Gebäuden für Nisthöhlen wurden vorsorglich beseitigt. Im Gegenzug habe man rund 30 Kästen für Fledermäuse, Eule, Sperling und den Hausrotschwanz aufgehängt.

Im Turm des Gebäudes am Kassenberg hat man eine Öffnung für Fledermäuse geschaffen.