Mülheim. In der Eppinghofer Fahrradwerkstatt helfen Ehrenamtliche beim Schrauben und Reparieren. Klimaziel: Wer heute radelt, fährt später weniger Auto.

„Dreht man die Schraube raus, wandert der Umwerfer nach außen... “ – mit langjähriger Routine bringt Fahrradspezialist Carsten Voss die Gangschaltung des Mountainbikes in die richtige Position. Für den zehnjährigen Rad-Besitzer Arda scheint die vermeintlich einfache Mechanik aus H- und L-Schrauben allerdings ganz nah an der Raketentechnik zu liegen. „Verstanden?“, fragt Voss. „Jaaa“, antwortet Arda zögerlich.

In der Eppinghofer Fahrradwerkstatt der Grundschule am Dichterviertel kommt es aber darauf an, eine Hilfe zur Selbsthilfe zu geben. „Praktisch säge ich hier an meinem Stuhl“, meint Voss, der ansonsten die Werkstatt der Radstation leitet, im Scherz. Der Experte sowie Matthias Neef und Heinz Scherello greifen hier ehrenamtlich zu Schraubenzieher und Drehschlüssel, denn wenn Jugendliche ihre Fahrräder selbst reparieren können, fahren sie später vielleicht kein Auto. Oder zumindest weniger. Neef, der die ehrenamtliche Werkstatt ins Leben rief, hofft auf klimafreundliche „Spätfolgen“ seiner Projektidee.

Unterstützenswertes Kilimaprojekt

Für Lena Sporl von der Mülheimer Klimaschutzinitiative ist die Selbsthilfewerkstatt daher ein unterstützenswertes Projekt des „Klimacampus für alle Generationen“, der seit September 2017 vom Stadtteilmanagement und der Gemeinschaftsgrundschule am Dichterviertel mitgetragen wird. Die Werkstatt ist erst seit wenigen Wochen aktiv. „Unser Gedanke dabei ist, dass generell wenig weggeschmissen, sondern alles möglichst lange genutzt wird. Beim Fahrrad geht das gut“, sagt Sporl. Die Schule stellt dafür einen Raum zur Verfügung, in dem Werkzeug, Geräte und Ersatzteile gelagert werden können. Finanzielle Förderung kam auch von der Bezirksvertretung. Jeden Mittwoch zwischen 16 und 18 Uhr öffnet die Werkstatt ihre Tür für kleinere und größere Reparaturen.

Zwei stabile Montageständer haben die Ehrenamtlichen nach draußen gestellt, mit denen sich die Fahrräder auf eine bequeme Höhe aufbocken lassen. Mohamad (11) hat sein rotes Bike auf dem „Operationstisch“ – die Schutzbleche und der Gepäckträger sollen runter, erklärt er beim Drehen der Muttern und Schräubchen.

Warum? „Sieht besser aus, der Gepäckträger macht Krach“, lautet die knappe Antwort. Auch die Gangschaltung könnte geschmeidiger schalten. Der Ehrgeiz hat den Jungen offenbar schwer gepackt.

Schon gemeinsam mit Flüchtlingen Räder repariert

Der Ansatz „Learning by doing“ klappt schon ganz gut, bestätigt Neef, der bereits gemeinsam mit Flüchtlingen Räder repariert hat: „Dabei kann man sich auch ohne Sprache verständigen, indem man es einfach zeigt – das ist das Tolle.“ Und die Lerneffekte gehen übrigens in beide Richtungen: Angeblich bedeutet „Fahrradständer“ im Arabischen dasselbe wie „Esel“ – erklären jedenfalls Mohamad und Mattias Neef. Logisch? Esel und Ständer tragen Lasten.

Weniger Müll, mehr Selbsthilfe und auch bessere Nachbarschaft, indem man sich gegenseitig hilft und kennen lernt, stehen für die Hobbyschrauber auf der Plusseite des noch jungen Projekts.

Gespendet wird leider oft Schrott

Jetzt muss sich die Fahrradselbsthilfewerkstatt nur noch weiter herumsprechen. Ein kleines Minus allerdings gibt es doch: „Die Werkstatt bekommt immer mal alte Fahrräder als Ersatzteilspende hingestellt“, erzählt Neef. „Das meiste allerdings ist Schrott, den wir dann entsorgen müssen.“ Das ist nicht im Sinne des Erfinders.

Freiwillige Helfer sind willkommen

Die Fahrradwerkstatt öffnet jeden Mittwoch, 16 bis 18 Uhr, auf dem Gelände der Gemeinschaftsgrundschule im Dichterviertel, Bruchstraße 85.

Der ehrenamtliche Betrieb der Werkstatt ist für diese Saison gesichert, weitere freiwillige Helfer sind willkommen. Kontakt: Klimacampus@klimaschutz-mh.de oder direkt in der Geschäftsstelle der Klimaschutzinitiative, Löhberg 28.