Mülheim. . Die Stadtverwaltung soll ein Konzept vorlegen, wie Insekten und Vögel in der Stadt besser geschützt werden können. Zum Nulltarif geht das nicht.
Mit „Lasset Blumen blühen“ hatte der Bürgerliche Aufbruch Mülheim (BAMH) seinen Antrag überschrieben, bei dem es darum ging, möglichst schnell etwas zur Rettung der Insekten zu unternehmen. Kann man dagegen sein? Kann man. Eine breite politische Mehrheit votierte jetzt dagegen und zeigte aber dennoch ein Herz für alles, was summt und fliegt. Die Stadt soll einen Maßnahmenkatalog bis nach den Sommerferien erstellen: Wo kann was in Mülheim zum besseren Leben der Insekten getan werden? Die BAMH spricht von einem Zeitfresser, „und gerade die haben wir nicht mehr“, sagt der umweltpolitische Sprecher, Dr. Martin Fritz.
„Wir wollen, dass sofort in Mülheim etwas gegen das Bienen- und Insektensterben getan wird“, sagt Fritz und verweist auf eine EU-Studie, nach der es seit 1990 einen Rückgang um 76 Prozent an Biomasse bei Insekten gibt.
Abstecken, aussäen, nicht mähen – so einfach sei das
Sein Vorschlag: Auf öffentlichen Grünzonen der Stadt soll jeweils eine Fläche von 15 Prozent frei gehalten werden, um dort durch eine Aussaat eine Blumen- und Kräuterwiese entstehen zu lassen. Fläche abstecken, aussäen, nicht mähen – so einfach sei das. Umweltschutz beginne nun mal vor der eigenen Tür. Aus Sicht der BAMH könnte Mülheim dabei Vorbild sein. Und weil die Flächen nur einmal im Jahr gemäht werden müssten, spare man auch noch Geld.
Für die SPD ist das reiner Populismus gepaart mit einem unerträglichen Alarmismus, wie der umweltpolitische Sprecher Daniel Mühlenfeld kritisiert. Es sei der billige Versuch, sich das Profil als Kümmerer zu geben. „So lösen wir die Probleme nicht“, sagt Mühlenfeld und fragt sich, warum gerade 15 Prozent der Flächen in Blumen- und Kräuterwiesen umgewandelt werden sollen. „Und: Wo soll es passieren, was kostet es, wer pflegt es?“ Die SPD will weg von der Prozentmessung und von der Verwaltung konkrete Vorschläge haben, was wo sich an Maßnahmen zum Insekten- und Vogelschutz umsetzen lässt. Mühlenfeld sichert zu, dass man das Thema im Blick habe. CDU und Grüne machen sich ebenfalls für dieses Vorgehen stark.
Unkrautvernichtungsmittel im Blick
Unstrittig sei in der Politik, dass etwas getan werden muss, sagt die Vorsitzende des Umweltausschusses, Brigitte Erd (Grüne). Doch auch sie konnte nicht der Sofortaktion der BAMH zustimmen – „da war vieles einfach noch nicht geklärt“. Für Erd spielt zudem eine Rolle, dass die Stadt genau darlegt, wo in Mülheim noch welche Unkrautvernichtungsmittel eingesetzt werden. Auch die tragen nämlich erheblich zum Insekten-Elend bei.
Die BAMH fürchtet, dass nun in diesem Jahr nichts mehr zum konkreten Schutz der Tiere passieren wird. Fritz sieht in der Ablehnung der anderen Parteien auch den Versuch, die „praxisbezogene und bürgernahe Umweltpolitik“ der BAMH auszubremsen. In den vergangenen Wochen hatte die Fraktion Insektenhotels an Bürger verschenkt und auch eine Aktion zur Stickoxid-Messung auf privater Basis ins Leben gerufen.
Gemeinsam ein Maßnahmenpaket zusammenstellen
Grünflächenamt und Umweltamt wollen nun gemeinsam ein Maßnahmenpaket zusammenstellen. Dabei fängt man im Rathaus keineswegs bei Null an. „Der Insekten-, vor allem der Bienenschutz ist seit Jahren Thema“, betont die Leiterin des Grünflächenamtes, Sylvia Waage. Unter anderem habe man an verschiedenen Stellen Bienenvölker angesiedelt, so im Witthausbusch und auf Friedhöfen. „Wir pflanzen zudem seit längerem schon Gehölze, Stauden und Bodendecker, die insektenfreundlich sind“, sagt Waage.
Mit dem Wunsch nach mehr blühenden Wiesen rennt die Politik bei ihr offene Türen ein. Bereits vor zehn Jahren hatten Bezirksvertreter einen ähnlichen Wunsch an sie herangetragen. „Damals stand aber noch die Einsparung von Kosten im Vordergrund.“ Heute ist es die Tierwelt. „Wir können allerdings nicht hingehen und irgendwo Samen ausstreuen. Wir haben zurzeit keinen freien Flächen.“ Diese müssten erst vorbereitet werden. Das kostet. Zum Nulltarif gibt es blühende Blumen nicht. Woher nehmen? Diesen Strauß muss die Politik wieder ausfechten.
>> VON INSEKTEN HÄNGT DIE ERNÄHRUNG AB
Etwa 80 Prozent der wild wachsenden Pflanzen werden von Insekten bestäubt. Bleiben die Insekten weg, können sich auch die Pflanzen nicht mehr vermehren. „Von Insekten hängt weltweit unsere Ernährung ab“, sagt Sylvia Waage, Leiterin des Grünflächenamtes.
Außerdem sind Insekten eine wichtige Nahrungsquelle für viele andere Tiere. Ein Großteil der Vogelarten ernährt sich davon.