Mülheim/Essen. Zahlreiche Gutachten zum Klima, zur Fauna und Flora wird es geben müssen zu der Frage, ob sich die Bauwünsche am Flughafen realisieren lassen.
Stadtklima, Artenschutz, Altlasten und Co.: Ungeachtet der zahlreichen Restriktionen, die einer Bebauung des Flughafen-Areals in die Quere kommen können, stellen die verantwortlichen Planer der Städte Essen und Mülheim nach der dritten und letzten Werkstattrunde zur Entwicklung des 140 Hektar großen Areals fest: Ein Neben- und Miteinander von Wohnen, Natur und Gewerbe sei möglich. Angepeilt ist, an der Stadtgrenze für 5000 bis 6000 Menschen Wohnraum zu schaffen, ein interkommunaler Gewerbepark soll 2000 Arbeitsplätze bieten.
Drei Werkstattrunden gab es
Die Werkstattrunden mit Politik, Verwaltung und externen Experten sind bekanntlich einem städtebaulichen Wettbewerb vorgeschaltet, um für ihn Rahmenbedingungen, aber auch Zielmarken zu definieren. Klar ist: Die Liste der möglichen Restriktionen ist lang.
Man denke nur an die Mahnung von Klimatologin Dr. Monika Steinrücke (Ruhr-Uni Bochum) zuletzt im Planungsausschuss. Sie hatte nach einer lokalklimatischen Untersuchung im Sommer 2017 vor einer üppigen Bebauung, wie in den Werkstattrunden skizziert, ausdrücklich gewarnt, um der Innenstadt nicht die Kaltluftzufuhr abzuklemmen.
Steinrücke rechnet aufgrund des Klimawandels mit deutlich mehr Hitzetagen im Jahr, die stark versiegelte Innenstadt werde vermehrt auf Abkühlung über die Kaltluftschneisen von Ruhr und Rumbachtal angewiesen sein. Beide werden über das Flughafengelände mit Kaltluft gespeist. Das Stadtklima ist aber nicht die einzige Randbedingung, mit der sich die Stadtentwicklung an dieser exponierten Stelle deutlich intensiver als bislang auseinanderzusetzen hat. Bisher, heißt es in einer Präsentation zur dritten Werkstattrunde, die dieser Zeitung vorliegt, „liegen in vielen Bereichen nur rudimentäre Daten vor“.
400 Pflanzenarten und 68 Vogelarten
So wird es zahlreiche Gutachten geben müssen, das legt eine Zusammenstellung aus dem Mülheimer Umweltamt nahe. Beispiel Artenschutz: Nicht erst seit dem Schauspiel zum letztlich abgesagten Ed-Sheeran-Konzert ist bekannt, dass am Flughafen weit mehr in Fauna und Flora als die am Boden brütende Feldlerche zu berücksichtigen gilt.
Im Biotopkataster des Landes wird dem Flughafen-Areal für den Biotopverbund „eine besondere Bedeutung“ beigemessen. Insbesondere sei das Gelände wertvoll für Heuschrecken, Fledermäuse und eben wiesenbrütende Vögel. Fett-, Mager- und Feuchtwiesen werden hoch bewertet, insgesamt sind gut 400 Pflanzenarten festgestellt. Dazu 68 Vogelarten, darunter 29, die auf der Roten Liste besonders gefährdeter Arten wiederzufinden sind. Für viele Greifvögel sei das Gebiet essenziell, um Nahrung zu finden. Insbesondere die Vorkommen von Feldlerche, Steinschmätzer, Waldohr- und Schleiereule sowie Stein- und Waldkauz wird als „planungsrelevant“ charakterisiert. Hier müssen Lösungen her. Immerhin gelten andere Flugplatz-Umnutzungen in Deutschland als Vorbild, wie es doch gelingen kann, etwa den Steinschmätzer dazu zu bewegen, sich auf einer nahen Ausgleichsfläche niederzulassen.
Noch ein Beispiel für die Unwägbarkeiten in der Planung: Der Flughafen war im Zweiten Weltkrieg Ziel mehrerer Fliegerangriffe. Ein bis zwei Jahre soll es schätzungsweise dauern, das Gelände auf Blindgänger zu untersuchen. Das Umweltamt spricht dabei von „30 konkreten Verdachtsfällen“.
Relikte eines Gräberfeldes aus der Bronzezeit
Auch die Altlastenuntersuchungen dürften umfangreicher Natur werden: Der Flughafenbetrieb selbst birgt mögliche Kontaminationen. Es gab in der Vergangenheit aber auch bis zu sieben Meter hohe Aufschüttungen mit kontaminiertem Material. Von Blei, Zink sowie krebserregenden und für Wasserorganismen sehr giftigen polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen ist die Rede. Im Südwesten ist die ehemalige Hausmüllkippe an der Horbeckstraße im Blick zu halten.
Noch eine Baustelle: der Denkmalschutz. „Es ist mit Relikten eines Gräberfeldes mit Bestattungen der späten Bronzezeit bis in die frühe Eisenzeit zu rechnen“, stellt die Stadtverwaltung für eine beträchtliche Fläche im Süden der Landebahn fest, dass auch archäologische Prüfungen notwendig sein werden. Ebenfalls im Süden ist die Essener Hofanlage Mühlendyk als Baudenkmal zu würdigen.
Und schließlich bereitet der Umgang mit Niederschlagswasser Kopfzerbrechen. „Innovativer Lösungen“ wird es nicht nur hier bedürfen.