Mülheim. . Wanderer treffen im Tauerngebiet aufs Ruhrgebiet: Die Sektion Mülheim des Alpenvereins betreut in den Österreichischen Alpen Wanderweg und Hütte.

Der höchste Punkt von Mülheim? Er liegt künftig auf 2864 Meter Höhe – allerdings muss man ihn an unvermuteter Stelle aufsuchen: Denn geradezu lauschig, fast unberührt ruht der Feldsee zwischen Lonzaköpfl und Geiselkopf und in Schlagdistanz zum Großglockner, also mitten in den Österreichischen Alpen. Die Sektion Mülheim des Alpenvereins betreut hier seit kurzem einen schönen wie fordernden Wanderweg mit Hütte.

Zwölf Kilometer lang schlängelt sich die Mülheimer Wanderpiste, der Westerfrölke-Weg, über den Gebirgskamm. Der Aufstieg nahe Mallnitz ist dabei nicht einmal hinzugerechnet. Klingt nach einem flotten Halbtagsmarsch? Schon, wäre da nicht das wadenkrampfende Auf und Ab von 1450 und 600 Höhenmetern. Schon bis zum Etappenbeginn am Lonzaköpfl gilt es knapp 1100 Höhenmeter zu überwinden. Gut, dass auf halber Strecke zum ersten Gipfel schon die Häuslealm Unterschlupf bietet. Besser aber ist es, eine weitere Übernachtung in der Böseckhütte kurz vor dem Abstieg einzuplanen.

Schwindelfreiheit ist zu empfehlen

Trittsicherheit und eine gewisse Schwindelfreiheit sind dem flachlandlebenden Mölmschen Jungen und Mädl ohnehin zu empfehlen. Dann aber kann man die weite und atemberaubend schöne Berglandschaft im Tauerngebiet genießen.

Wie aber kommen die Mülheimer Bewohner der Ruhr-Talsohle an die gut 950 Kilometer entfernten österreichischen Schneespitzen? Besser noch: Warum gibt es überhaupt einen Alpenverein an der Ruhr? Das kann der Vorsitzende der Mülheimer Sektion, Michael Cremer, erklären.

Bei der Arbeit an der höchst gelegenen„Mülheimer Wanderpiste“, dem Westerfrölke-Weg in den Alpen, ist die Aussicht atemberaubend.
Bei der Arbeit an der höchst gelegenen„Mülheimer Wanderpiste“, dem Westerfrölke-Weg in den Alpen, ist die Aussicht atemberaubend.

Die Kurzfassung: Pioniergeist. Die lange: 1910 entstand die Mülheimer Sektion aus Wanderbegeisterten mit dem Ziel, die Alpen zu erforschen: „Sie waren damals ein Eldorado“, schwärmt Cremer. Was man schon an den kuriosen Hüttenbenennungen erkennt: Duisburg oder Hagen haben hier ihre Revierfähnchen nebst Hütte aufgestellt. 1932 erschlossen die Hagener unter ihrem Gründungsvorsitzenden Professor Westerfrölke auch jenes Fleckchen des Tauerngebiets, welches heute die Mülheimer Sektion betreut.

Erhalt der Natur vor Tourismus und Klimawandel

Soweit die Namensgebung des Westerfrölke-Wegs. Knapp 90 Jahre später aber übernimmt Mülheim die Pflege der buchstäblichen Gratwanderung und markiert damit auch gleich den Wandel im Selbstverständnis der Alpenvereine: „Heute geht es um den Bergsport, aber zunehmend um den Erhalt der Natur vor dem Tourismus und Klimawandel“, erläutert Michael Cremer. Denn der nagt sichtbar an den Gipfeln – „die Gletscher und der Permafrost-Bereich gehen immer weiter zurück, das hat zur Folge, dass auch das Wild immer weiter hoch auf der Suche nach Nahrung geht, die Insekten absterben, weil sie die Luft nicht vertragen“, beobachtet der erfahrene Alpengänger. Auch der Skisport und natürlich der zunehmende Wandersport bereiten den Gipfelstürmern Sorge: „Wir müssen den Tourismus so gestalten, dass die Natur erhalten bleibt.“

Wege zugänglich und sicher gestalten

Die Mülheimer verfolgen bei der Pflege der Strecke und der Selbstversorgerhütte am Böseck deshalb den Gedanken der Nachhaltigkeit. So schneiden die ehrenamtlichen Naturpfleger regelmäßig im Jahr die Sträucher und Gräser zurück, um die Wege zugänglicher und sicherer zu gestalten. Anschließend werden mit dem Schnittmaterial die Löcher auf den Pfaden gestopft. Und wo der Aufstieg schwierig wird, bohren die Mülheimer dicke Löcher und bringen stabile Drahttaue an.

An der gut 80 Jahre alten Böseckhütte auf 2594 Meter Höhe will man zudem nachhaltig die Wasseraufbereitung und die Wärme etwa über Solarpanels modernisieren. Die Hütte wird in der Regel am stärksten von Juli bis August genutzt, dann kommen hier gut 40 Besucher vorbei. „Es ist ein kleines Abenteuer“, schwärmt Cremer von wilden Gamsherden, farbenprächtigen Regenbogen und unvergesslichen Ausblicken.

>>> ALPENVEREIN HAT 800 MITGLIEDER IN MÜLHEIM

Gut 800 Mitglieder hat der Mülheimer Alpenverein, 2500 sind es in Essen, 6000 in Duisburg.

Die Finanzierung der Aktivitäten erfolgt durch die Mitglieder. 65 Euro im Jahr kostet die Mitgliedschaft im Alpenverein.

Die Aktivitäten der Mülheimer Sektion sind vielfältig: Sie betreut einen Klettergarten, arbeitet mit der Biologischen Station zusammen und bietet auch Kurse für Schulklassen an.