Mülheim. . Betriebsrats-Chef soll „überhöhtes Gehalt“ abgeben und künftig „auf ein zulässiges Maß“ herabgestuft werden. Betrieb wehrt sich gegen Verdi.
Bei der Ruhrbahn kehrt intern keine Ruhe ein. Trotz vieler Solidaritäts-Bekundungen aus der Belegschaft mit Ahmet Avsar hat die Geschäftsleitung dem Betriebsratsvorsitzenden jetzt eine Rechnung geschickt. Darin fordert das Unternehmen von ihm rund 11 000 Euro zurück, die er als überhöhte Gehaltszahlungen bekommen haben soll. Bewiesen ist das nicht.
Die Zahlungsaufforderung hat Avsar dieser Zeitung bestätigt. Über weitere Spekulationen, die diesen Fall betreffen, will er jetzt nichts mehr sagen: „Die Anwälte und das Gericht sollen klären, ob mein Arbeitsvertrag korrekt ist. Ich gehe davon aus, er ist in Ordnung. Das Verfahren ist eingeleitet.“
Rückforderung beschränkt sich auf sechs Monate
Bei 11 000 Euro Rückforderung beschränkt sich die Ruhrbahn auf das zu viel gezahlte Gehalt allein der vergangenen sechs Monate. Eine tarifvertragliche Ausschlussfrist lässt das zu. Ursprünglich war von rund 70 000 Euro Rückzahlung die Rede, die der 39-Jährige seit April 2015 vermeintlich unberechtigt erhalten hatte. Den Beweis dafür sieht die Geschäftsführung der Ruhrbahn durch zwei unabhängig voneinander eingeholte Rechtsgutachten renommierter Anwaltskanzleien erbracht. Ahmet Avsar und sein Anwalt sehen dagegen die zwischen ihm und dem Betrieb getroffene Höhergruppierung als korrekt an.
Rückschau: 1994 begann Avsar bei der Mülheimer Verkehrsgesellschaft (MVG) seine Ausbildung. Er machte weitere Lehrgänge und zusätzliche Ausbildungen und stieg zum Leiter der Kraftfahrzeugwerkstatt mit entsprechender Tarifgruppe auf.
Disziplinarstrafe: 2012 zwei Gehaltsstufen verloren
Seit 2012 sitzt er im MVG-Betriebsrat. Danach gab es ein Disziplinarverfahren gegen ihn, was ihm die Rückstufung um zwei Tarifgruppen einbrachte. Das bestätigte Avsar selbst am Montag auf einer Pressekonferenz. Als dann seine Personalchefs 2015 die Höhergruppierung begründeten und unterstützten, sei für ihn klar gewesen, das sei korrekt.
Damals war Klaus-Peter Wandelenus in Mülheim MVG-Geschäftsführer und Betriebsleiter der Via-Verkehrsgesellschaft. Er hatte in dieser Zeit bis zu seinem Ausscheiden in 2016 mit Avsar zu tun. Auf Anfrage dieser Zeitung antwortet Wandelenus: „Da in der Angelegenheit derzeit eine Sachverhaltsermittlung bei der Ruhrbahn läuft, bitte ich um Ihr Verständnis, dass ich mich öffentlich zu dem Sachverhalt nicht äußern werde.“
Ruhrbahn macht Forderungen per Aushang öffentlich
Die Gutachten, die anzweifeln, dass Avsars Höhergruppierung korrekt war, nehmen die Ruhrbahn-Chefs jetzt als Basis. Sie fühlten sich jetzt „rechtlich verpflichtet“, das Geld zurückzufordern und die Bezüge Avsars „auf ein zulässiges Maß“ zu verringern. So steht es in einem Schreiben an den Aufsichtsrat des Verkehrsbetriebes. Außerdem gibt es einen Aushang für Ruhrbahn-Mitarbeiter, denen gegenüber sich die Chefs damit erstmals öffentlich rechtfertigen.
Darin weisen sie die jüngsten Behauptungen von Verdi-Gewerkschaftssekretär Rainer Sauer „entschieden zurück“. Dieser hatte vermutet, es könne einen Zusammenhang geben zwischen dem „absurden“ Verdacht, der Betriebsratschef sei unrechtmäßig begünstigt worden, und den aktuellen Verhandlungen zu einer Betriebsvereinbarung Fahrdienst. Betriebsratsmitglieder betrachten die Angriffe auf Avsar ebenfalls als Retourkutsche.
Betriebsrat soll heute der Rückstufung Avsars zustimmen
Inwieweit der Betriebsrat die Haltung der Geschäftsführung teilt, lässt sich vielleicht schon am Donnerstag ablesen, wenn das Arbeitnehmer-Gremium über die von der Geschäftsführung geplante Rückstufung Avsars um drei Entgeltstufen befinden soll. Dass der Betriebsrat dazu seinen Segen gibt, erscheint bei aktuell verhärteten Fronten unwahrscheinlich. Die Auseinandersetzung vor Gericht wird dagegen wohl notwendig. Bis zur Klärung der Sache und einen Richterspruch behielte Avsar sein jetziges Gehaltsniveau.
Unbestätigt blieben bisher Vermutungen, nach denen die vermeintlich gefälschten Seiten in der Personalakte des Betriebsratschefs genau jenen disziplinarischen Vorgang enthielten, weswegen einst sein Gehalt herabgestuft wurde. Andere wollen wissen, dass mit der aktuellen Konfrontation das Scheitern der Ruhrbahn-Fusion eingeläutet werden soll.