Mülheim. . Ein großer Autokran hebt 40 Meter lange Stahlteile auf die Stützmauern der neuen Brücke. Bei bestem Bauwetter wird hoch konzentriert gearbeitet.

„Das ist schönstes Bauwetter. Die Sonne darf weiter scheinen.“ Der Mann in der orange leuchtenden Warnweste hat keine Zeit. Er eilt über die alte Thyssenbrücke, klettert auf die Leitplanke. Er blickt über den Bauzaun auf seine Kollegen und den Stahlträger am Kranhaken. „Noch einen halben Meter. Etwas mehr nach links, langsam senken. Stopp. Weiter vor. Ausrichten – runter“, lauten die Ansagen. Um 12.32 Uhr liegt der erste Längsträger auf den Stützmauern der neuen Thyssenbrücke. Die Männer atmen auf.

„Der erste Träger ist der schwierigste. Danach geht das Einschwenken und Auflegen leichter“, sagt Ralf Grunert. Der Brückenbauingenieur der Stadt umläuft – wie mehrere Sicherheitskräfte und Hobbyfotografen – die Baustelle. Er schaut, ob alles klappt. „Es gab leichte Startprobleme, weil die Traverse, die den Strahlträger hält, an einer Seite ausgerichtet werden musste. Aber das ist normal. Die Männer haben das im Griff“, erklärt Grunert.

In der Nacht zu Samstag fuhr der Autokran in Position

In der Nacht zu Samstag fuhr ein großer Autokran zwischen dem Straßendamm der Hauskampstraße und den neuen Tragmauern der Thyssenbrücke in Position. Anschließend bekam er zahlreiche Gegengewichte auf das Heck montiert. „Ein 500-Tonnen-Kran“, sagt Horst Chluba. Der kommissarische Tiefbauamtsleiter baut seit drei Jahrzehnten Brücken für die Stadt. Er kennt die gewichtigen Spezialfahrzeuge zum Heben und Einbauen schwerer Lasten. Auch er beobachtet am Samstagmittag, wie die ersten Träger eingebaut werden. Trotz aller Erfahrung betont er: „Jeder Brückenbau ist eine neue Herausforderung.“

Mit 12,5 Tonnen gehören die 40 Meter langen Träger für die neue Thyssenbrücke noch zu den „Leichtgewichten“, aber: Sicherheit geht vor“, sagen die Männer auf der Baustelle. Darum ist so ein großer Kran erforderlich. Beim Einschweben des ersten Teils führt Sven Beiring den Stahlträger mit einem Finger. Sichernde Seile, Haken und Kran lassen alles wie ein leichtes Kinderspiel erscheinen. Gerade deshalb sind die Männer hoch konzentriert. „Wenn jetzt was schief geht, gibt es riesigen Stress“, flüstert einer dem Reporter über die Schulter.

Aufpassen auf die Hochspannungsleitungen

Als der erste Träger sicher in seinen Führungen liegt, lösen die Männer die Traghilfe. Der Kranführer bringt die Traverse am Haken mit einem Schwenk wieder nach unten. Dabei muss er aufpassen, dass der Ausleger der Hochspannungsleitung neben der Baustelle nicht zu nahe kommt. Unten auf dem Güterwagen befestigen Männer den nächsten Träger. Wenige Minuten später ist er in der Luft und wird eingeschwenkt, ausgerichtet und abgesenkt. Träger Nummer zwei liegt.

„Alles passt genau. Nur ein paar Millimeter Spiel. Das ist gut“, ruft ein Arbeiter aus dem Wartungsgang der linken Stützmauer. „Hier passt auch alles“, ist von rechts zu hören. „Wäre auch blöd, wenn das nicht passte“, sagt ein Sicherheitsingenieur in der Mitte. Auf den Gleisen sammeln Arbeiter Holzteile auf, die ihre Kollegen beim Auflegen der Träger abgeworfen haben.

Strecke voll gesperrt, Ersatzbusse fahren vorbei

Wo sonst jede Minute ein Zug durchrauscht, ist es in diesen Tagen ruhig. Die Deutsche Bahn hat die Strecke voll gesperrt. Ersatzbusse fahren an der Baustelle vorbei zum Styrumer Bahnhof.

Ralf Grunert zeigt am Bauzaun auf die alte Brücke. In der Nacht auf der Styrumer Seite haben Arbeiter den Gehweg komplett abgebrochen. Rost und zerfressene Träger zeigen überdeutlich, warum die alte Thyssenbrücke vibriert, als die Straßenbahn sie im Schritttempo passiert: Das mehrfach ertüchtigte Bauwerk ist am Ende.

Insgesamt 17 Stahlträger haben die Männer am Wochenende aufgelegt – am Samstagabend in grellen Scheinwerfelicht. Mehrere Gerüste mit Strahlern sind dafür auf der Baustelle postiert. Auch das halten Hobbyfotografen fest – bei künstlichem Sonnenlicht.

Hobbyfotografen sind rund um die Baustelle aktiv

Der spektakuläre Neubau der Thyssenbrücke in Styrum zieht auch zahlreiche Hobbyfotografen und Amateurfilmer an. Sie standen am Wochenende hinter den Bauzäunen, auf Kisten und auf den Hängen, um eine möglichst gute Perspektive auf die Baustelle zu haben.

Viele dokumentieren für sich die Veränderungen in der Stadt. „So was bekommt man selten vor der Haustür geboten“, sagte ein Styrumer und lichtete den Baukran mit dem vierten Träger ab. Am Osterwochenende ist er wieder im Einsatz. Dann werden 14 weitere Träger eingehoben.