Eine breite politische Mehrheit stimmt für einen Interimsstandort der VHS im alten AEG-Gebäude. Kritiker fürchten: Das wird eine Dauerlösung.

Die Entscheidung musste aufgrund der vertraulich zu behandelnden Mietangebote am Donnerstagabend in nicht-öffentlicher Sitzung des Stadtrates fallen, die politische Mehrheit positionierte sich aber schon im Vorfeld in aller Öffentlichkeit: Die VHS soll ab Spätsommer an der Aktien- und mit Zweitstandort an der Schloßstraße untergebracht werden. Auf politisches Geheiß soll die Stadt nicht nur einen Fünf-, sondern einen Zehn-Jahres-Vertrag abschließen, mit Option für eine jährliche Kündigung nach dem sechsten und den folgenden Jahren.

CDU, SPD, Grüne, FDP und Hasan Tuncer (Bündnis für Bildung) kündigten am Donnerstag noch in öffentlicher Sitzung ihr dementsprechendes Votum an, das zu späterer Stunde protokolliert werden sollte. Dabei war noch nicht von einem Mietvertrag über zehn Jahre die Rede.

Das ehemalige AEG-Verwaltungs
Das ehemalige AEG-Verwaltungs

Ab 2019 mehr Platz an der Aktienstraße

Den Zuschlag soll Geschäftsmann Mohamad Itani (Inplan GmbH) bekommen. Er bietet noch in diesem Jahr 2000 Quadratmeter im ehemaligen AEG-Haus an der Aktienstraße an, das zurzeit aufwändig saniert wird. Ab 2019 stehen am Standort weitere 600 Quadratmeter zur Verfügung. So sind spätestens dann nur noch die rund 700 Quadratmeter zusätzlich nötig, die die Stadt an der Schloßstraße (über der Alex-Gastronomie) anmieten soll.

Insbesondere Itani hatte sein Angebot zuletzt noch nachgebessert und das Angebot von Wohnungsriese Vonovia für die Broicher Mitte deutlich unterboten. An der Aktienstraße sollen die VHS-Teilnehmer über 50 kostenfreie Parkplätze auf dem Gelände verfügen.

SPD: Keine grundsätzliche Standort-Entscheidung

In einer teils aufgeregten Debatte, die immer wieder auch die Zukunft des VHS-Gebäudes in der Müga zum Thema machte, unterstrich Jan Vogelsang (SPD), dass „wir hier heute keine grundsätzliche Entscheidung zum Standort an der Bergstraße treffen“. Dort gebe es zweifellos „viele Unwägbarkeiten“, die Standortfrage sei aber später zu beantworten. Bei der Entscheidung für den Interimsstandort an der Aktienstraße seien für die SPD die wirtschaftlichen Gesichtspunkte ausschlaggebend gewesen. Zudem sei Eppinghofen gut an den ÖPNV angebunden, es gebe ausreichend Parkplätze – und, für die SPD erwähnenswert: Nach dem Aus für die Zukunftsschule erhalte Eppinghofen eine vorzeigbare Bildungseinrichtung.

In seiner CDU hätten sich viele schwergetan, die Aktienstraße der Broicher Mitte vorzuziehen, sagte Heinz Borchardt. Er deutete aber an, dass auch hier letztlich die Wirtschaftlichkeit den Ausschlag gegeben habe. Laut einem geheimen Papier der Verwaltung, das dieser Redaktion vorliegt, wäre die Broicher Lösung die Stadt in den ersten fünf Jahren Mietdauer mehr als 50 Prozent teurer gekommen.

Bildungsdezernent macht den Ernst der Lage deutlich

Tim Giesbert (Grüne) erklärte das Votum seiner Fraktion pro Eppinghofen mit dem Willen, politische Geschlossenheit zu zeigen, auch wenn in langen Diskussionen fraktionsintern der Interimsstandort Broich „die Nase ein klein wenig vorn hatte“. Auch Hasan Tuncer (Bündnis für Bildung), Mitglied der breiten kritischen Bewegung zur Rettung der VHS in der Müga, schloss sich an. Es wäre verantwortungslos, der VHS jetzt nicht politische Unterstützung für einen Interimsstandort zu geben, sagte er.

Bildungsdezernent Ulrich Ernst hatte zuvor noch einmal auf den dramatischen Zustand hingewiesen, in den der VHS-Betrieb innerhalb von nur fünf Monaten nach der Sperrung des Stammhauses abgerutscht ist. Die Anzahl von Kursen und Teilnehmern erreiche aktuell nicht einmal 50 Prozent von dem, was in den Vorjahren üblich gewesen sei. Werde sich der Trend fortsetzen, sei gar der Landeszuschuss gefährdet. Es gehe dabei um 500 000 Euro.

Politische Minderheit übt scharfe Kritik an der Verwaltung

„Sehr traurig“ sei es, die VHS so heruntergewirtschaftet zu sehen, indem die Stadt in den Vorjahren nichts unternommen habe, um bekannte Baumängel zu beheben“, äußerte Cevat Bicici (Wir aus Mülheim) erneut harsche Kritik. Die Interimslösung sei „der Einstieg in den Ausstieg aus der VHS in der Müga“. Linke und MBI stimmten ein. Es sei ein „folgenschwerer Fehler gewesen, nach der Schließung die Sanierung nicht weiterzuführen“, sagte Lothar Reinhard (MBI). Wo die VHS nun bei Kursen und Teilnehmerzahlen stehe, sei „eine Katastrophe“.

BAMH-Fraktionschef Jochen Hartmann forderte „Ehrlichkeit“ ein. Es gebe nur zwei realistische Szenarien: eine Sanierung der VHS oder in der Müga Abriss und kleinerer Neubau. Eine Sanierung hält Hartmann nicht für finanzierbar. Eine Interimslösung für zehn Jahre sei „eine verschleierte Dauerlösung“.