Mülheim. Das denkmalgeschützte ehemalige Woolworth-Haus ist komplett entkernt. Große Überraschungen sind laut Investor ausgeblieben. Kommt Vapiano?
Für Architekt Ralph Linge-Boom ist es „unser Bonbon in der Mülheimer Innenstadt“. Und das Bonbon ist erst einmal eingepackt – damit am Ende, so die Hoffnung, der Aha-Effekt nicht ausbleibt. . . Investor Christian Schweckhorst hat am Freitag auf die Baustelle des denkmalgeschützten Woolworth-Hauses geladen. Die Entkernung ist geschafft. Versprochen ist eine weitgehend denkmalgetreue Rekonstruktion, um das im Schatten des neuen Schloßstraßen-Quartiers stehende Haus in altem Glanz erstrahlen zu lassen.
Noch braucht es allerdings reichlich Fantasie, um sich vorstellen zu können, dass aus dem nahezu zur Schrottimmobilie verkommenen Gebäude jenes „The O.“ werden soll, wie das Wohn- und Geschäftshaus am Kopf der Schloßstraße heißen soll. Im zugehörigen Hochglanzprospekt kommt das nach dem Bauherrn und Mülheimer Kaufmann Hugo von Othegraven benannte „O.“ als Glanzstück der Innenstadtentwicklung daher.
Gastronomie, Büros, Praxen, Wohnen – alles denkbar
Einen „Ort zum Wohnen, Arbeiten und Genießen“ verspricht die nicht bezifferte, weil nutzungsabhängige Investition. Im Moment werde mit Mietinteressenten in alle Richtungen verhandelt, sagt Schweckhorst. Gastronomie, Büros und Praxen, Wohnen – alles sei denkbar. Es gebe auch einen Interessenten, der sich vorstellen könne, das Haus komplett zu mieten.
Der Bauantrag setzt am Optimum an: Erd- und 1. Obergeschoss für eine Systemgastronomie (Vapiano?), darüber zwei riesige, variantenreich aufzuteilende Flächen für Büros oder Praxen, in der vierten Etage ein originalgetreu sanierter Teil der ehemaligen Othegraven-Wohnung sowie auf den Etagen 4 und 5 eine Penthouse-Wohnung samt Dachterrasse mit Panoramablick, etwa auf die Altstadt-Kirchen.
Architekt und Investor loben die enge Kooperation zu Bauaufsicht und Denkmalbehörde. Bei der Stadtverwaltung zeigt sich nicht nur Oberbürgermeister Ulrich Scholten begeistert vom Elan, den die Projektentwickler auch am Freitag versprühten. Architekt Lange-Bloom hat sich detailreich mit der Geschichte des Hauses beschäftigt und erzählt etwa begeistert, in Berlin gar eine Firma aufgespürt zu haben, die für die großen Fensterfronten noch gewölbtes Glas nach historischem Vorbild produziert. Die Entkernung des ziemlich verbauten Gebäudeinneren sei „wie eine kleine Forschungstour“ gewesen. Die Bauarbeiter entdeckten gerade einmal viereinhalb Zentimeter dicke Betondecken, darunter Stroh als Putzträger, ebenso ein mitunter abenteuerliches Versorgungsnetz. Allein das freigelegte System der Warmluftbeheizung sei „gigantisch“ gewesen, so Lange-Bloom: „Wir haben 21 Tonnen Altmetall rausgeholt.“
Architekt träumt von Eröffnung am 20. Oktober
Es habe zwar einige, aber keine bösen Überraschungen gegeben, sagt Schweckhorst. Für den Investor, ein Kind der 70er-Jahre mit Herkunft aus dem beschaulichen Rees, ist es die erste private Investition. Er sagt, vom ersten Tag „eine Beziehung“ zu dem Gebäude gespürt zu haben. Unklar sei aktuell, ob er das Haus im Besitz halten wird.
Der Architekt träumt derweil, da die Baugenehmigung noch nicht erteilt ist, weiter von einer Eröffnung am 20. Oktober – es wäre der 90. Geburtstag des Gebäudes. Der Investor sei „mit viel Herzblut“ unterwegs, sagt OB Scholten und drückt seine Freude aus, dass die vom Stadtquartier Schloßstraße ausgehende Innenstadtentwicklung nun in die Fußgängerzone hineinwirke.
Besuch der Baustelle "The O"
Das Woolworth-Haus werde aus dem Dornröschenschlaf erweckt, sagte er am Freitag beim Gang über die dünnen wie löchrigen Betondecken. Über die eigenwillige Statik des Hauses, dessen Etagen mitunter nur auf zwei Stützpfeilern aufsetzen, schmunzelt der Architekt. Gedanken an die gesperrte VHS kommen automatisch – und Architekt Lange-Bloom zögerte am Freitag nicht lange, um dem OB zur VHS zu sagen: „Da kann man doch auch was raus machen. Ich kann das!“