Theaterautor Konstantin Küspert stellte im Medienhaus Texte seiner drei nächsten Uraufführungen in NRW vor.
Einen Reichsbürger als pathologischen Fall zu schildern, wäre nicht schwer und alle würden das Theater mit dem selben Gefühl verlassen, mit dem sie es betreten haben. Sind ja ohnehin alles eher linksliberal eingestellte Besucher. Die spinnen doch, ließe sich sagen, die schätzungsweise 15 600 Personen, die den Staat und seine Institutionen nicht anerkennen und sich auch nicht an die Bürgerpflichten halten. Man könnte sich empören und darüber wundern, dass es immer mehr würden, die dieser Bewegung auf den Leim gehen. Theaterautor Konstantin Küspert macht es sich und uns bei seiner Lesung im Medienhaus nicht so leicht. Bei aller Komik muss es dem Zuschauer etwas unbehaglich werden.
Der 35-jähriger Träger des Publikumspreises der letztjährigen Theatertage kam zu einer Lesung und präsentierte Auszüge aus drei Stücken, die in den nächsten Monaten in NRW uraufgeführt werden. Fleißig ist Küspert, der als Dramaturg am Schauspiel Frankfurt arbeitet, wo er gerade Jelineks Trump-Stück am Königsweg betreut hat. Morgen hat er Premiere mit einem apokalyptischen Text „Asche“ am Theater Detmold, am 20. Mai dann bei den Ruhrfestspielen Premiere mit „Der Westen“, dem dritten Stücke-Auftrag des Theaters Bamberg und er findet es Wahnsinn, „was für ein Vertrauen die in mich setzen“. Humorvoll sind sie bei aller politischen Brisanz alle. Der Westen ist so eine Stückcollage wie „Europa vergessen“: Columbus, Neil Armstrong und Dagobert Duck kommen vor und Wassili Archipow. Das ist der sowjetische Offizier, der am 28. Oktober 1962 den dritten Weltkrieg verhindert hat. Die Amerikaner hatten in der Kuba-Krise ein russisches U-Boot attackiert, mit Übungswasserbomben, wie sich zeigte. Archipow verhinderte den Abschuss eines atomaren Torpedos, was nach der damaligen Nato-Doktrin massiv vergolten worden wäre.
Der Reichsbürger ist nicht nur schlau, mit einigen Diagnosen hat er auch Recht, steigert sich aber in einen Wahn, dreht den Spiegel um und zeigt den kleinen Reichsbürger in uns, wie Reiche Schlupflöcher, Grauzonen und illegale Mittel nutzen, um reicher zu werden. Gerne hätte Küspert die Gründung der Grünen miterlebt, die Energie und das Unangepasste, doch er erlebte dann nur, wie ihr Aushängeschild Fischer mit der Agenda 2010 „zum Totengräber des Sozialstaates wurde“.