Mülheim. . Die Stadt will überraschend die Veränderungssperre aufheben, mit der sie eine weitere Ansiedlung von Einzelhandel am Hafen verhindern wollte.
Nicht einmal ein Jahr lang hat die Veränderungssperre der Stadtverwaltung Bestand, die zum Ziel hatte, die Ansiedlung weiteren Einzelhandels auf dem Areal der ehemaligen Schrottverwertungsanlage Jost an der Weseler Straße zu verhindern. Nun soll sie überraschend aufgehoben werden. Über die Gründe werfen Stadtspitze und Wirtschaftsförderungsgesellschaft einen Deckmantel des Schweigens und bleiben im Ungenauen.
Heute in der Bezirksvertretung 3 werden erstmals Lokalpolitiker mit einer entsprechenden Beschlussvorlage aus dem Stadtplanungsamt konfrontiert. Das Papier enthält keine nachvollziehbare Erklärung, warum die Veränderungssperre, die der Stadtrat erst am 16. Februar des Vorjahres beschlossen hatte, schon wieder einkassiert werden soll. Es heißt lediglich, die Stadt und die Paul Jost GmbH als Grundstückseigentümerin hätten „zwischenzeitlich Ideen für mögliche gewerbliche Folgenutzungen des ehemaligen Fallwerksgeländes entwickelt, die durchaus im öffentlichen Interesse liegen“. Sie stünden im Einklang mit Paragraf 34 des Baugesetzbuches, der Bauvorhaben als genehmigungsfähig ansieht, die sich in das bauliche Umfeld einpassen. Die Veränderungssperre hingegen, heißt es, verhindere „eine mögliche zeitnahe städtebauliche Entwicklung“ an Ort und Stelle.
Hat Jost der Stadt mit einer Klage gedroht?
Warum aber nun die Eile, die Veränderungssperre aufzuheben, zumal ohne die Sperre wieder Tür und Tor für den unerwünschten Einzelhandel geöffnet wären? Bau- und Planungsdezernent Peter Vermeulen sagte auf Nachfrage dieser Zeitung, dass der Verwaltung für das Jost-Grundstück aktuell keine Bauvoranfrage vorliege. Hätte es nicht gereicht, die Veränderungssperre erst dann aufzuheben, wenn ein konkretes Ansiedlungsvorhaben angemeldet wird? Hat Jost der Stadt eine Klage angedroht? Dazu schweigt Vermeulen, verweist an das Referat des Oberbürgermeisters.
Doch auch Referatsleiter Guido Brücker bleibt vage, verweist darauf, dass sich die Veränderungssperre als „Vermarktungshemmnis“ erwiesen habe. Neben dem Eigentümer sei aber auch die Stadt an einer zeitnahen Belebung der Gewerbebrache interessiert, allein wegen der Gewerbesteuereinnahmen. Wenn Jost mit Plänen für zentrenrelevanten Einzelhandel komme, könne die Stadt immer noch ein Veto platzieren.
Viele wollen wegen guter Zinskonditionen kaufen
Auch Chef-Wirtschaftsförderer Jürgen Schnitzmeier geht auf Tauchstation, wird er mit naheliegenden Fragen konfrontiert: „Da kann und will ich mich nicht zu äußern.“ Die Veränderungssperre sei „nicht so sehr meine Baustelle“. Dabei müsste Schnitzmeier ebenso das Interesse vertreten, dass am Hafen nicht noch mehr Handel ansiedelt, der angestammten Handelszentren wie der Innenstadt Kaufkraft abzieht.
Schnitzmeier berichtet lediglich davon, dass es „viele Interessenten“ für die Brache gebe. Viele wollten angesichts der guten Zinskonditionen kaufen, Jost aber verpachten. Auch dafür gebe es Interessenten.
Gerücht geht um: Paketverteilzentrum der Post
Im Wohnumfeld der Gewerbefläche beobachten Anwohner das Geschehen genau. Es kursiert das unbestätigte Gerücht, die Deutsche Post wolle vor Ort ein Paketverteilzentrum etablieren. Während Anwohner viel Lkw-Verkehr auch nachts fürchten, stehen Baudezernent Peter Vermeulen und Wirtschaftsförderer Schnitzmeier einer solchen Lösung offen gegenüber. „Logistik kann auch wohnverträglich sein“, sagt Schnitzmeier zum einstigen städtischen Versprechen, nicht wieder Ärger mit den Nachbarn provozieren zu wollen.