Mülheim. . Hefezopf flechten, Brezel formen, Brot backen: All das lernen die Teilnehmer der Backseminare von Walter Lübben aus dem Dichterviertel.

Vier Männer und vier Frauen stehen mit Schürzen bekleidet in der kleinen Backstube und lauschen den Worten von Bäckermeister Walter Lübben. Der quirlige 64-Jährige hat zum Backseminar gerufen – es ist komplett ausgebucht. Seit fünf Jahren veranstaltet die am ­Goethe­platz ansässige Bäckerei Lübben Backkurse. Sie haben sich zu einem durchschlagenden Erfolg entwickelt, allein durch Mund-zu-Mund-Propaganda.

Unter Kennern hat sich die Qualität der Backwaren über Mülheims Stadtgrenzen hinaus herumgesprochen. „Ich liebe die Gemütlichkeit hier, und vor allem ist das noch eine ursprüngliche Bäckerei. Deshalb fahre ich gerne hierher, auch wenn ich nicht in der unmittelbaren Nachbarschaft wohne“, lobt etwa Mechthild Schmialek, eine der Teilnehmerinnen des Seminars. Ihr gefällt die Atmosphäre des Geschäfts, das zusätzlich ein kleines Stehcafé beherbergt. „Da treffe ich mich immer gern mit Leuten, um zu klönen.“ Sie bedauert, dass es solche Läden in Zeiten von Großbäckereien und Selbstbedienungsläden kaum noch gibt.

Fast alle Backwaren werden vor Ort angefertigt

Marlis Heyna, die über Bekannte den Weg zum Seminar gefunden hat, möchte gern vom Bäcker wissen, ob er denn alles selbst herstellt. „Bis auf einen Bruchteil werden hier die Backwaren von meinen zwei Mitarbeitern und mir angefertigt“, antwortet Lübben. In Ausnahmefällen wie beim Wiener Boden werde auf Teig-Vormischungen zurückgegriffen, weil der Arbeitsaufwand dafür zu hoch sei.

Gleich zu Beginn des Backlehrgangs kann Lübben seine „Schüler“ mit dem Gang in die Mahlstube sichtlich beeindrucken: Die von ihm verwendeten Mehle werden nämlich mit seiner eigenen Mühle produziert. „Nur das ganz feine Mehl kriege ich mit dem Gerät nicht hin. Das muss ich mir dann von einer Müllerei besorgen“, erläutert er. Während die Maschine arbeitet, erhalten die Seminarteilnehmer Auskünfte über die verschiedenen Mehlsorten: Je kleiner die Typennummer ist, desto weniger Mineralstoffe befinden sich im Produkt. Als nächster Schritt folgt das Anfertigen des Teiges für die Vollkornbrote. Alle Zutaten werden in die Teigknetmaschine gegeben und bis zur gewünschten Konsistenz bearbeitet. Die Teilnehmer dürfen nun die Brotlaibe formen, wobei einer Teigmasse zusätzlich eine Körnermischung zugefügt wird. Nachdem alles schön durchgeknetet worden ist, werden die Teige zum Gehenlassen in Formen gelegt.

Landesfähnchen markieren die Teige

Damit auch jeder sein Brot wiederfindet, erhalten die Teilnehmer kleine Landesfähnchen, die sie in die Klumpen hineinstecken. Walter Lübben macht sich derweil daran, den Teig für die Süßspeisen zuzubereiten. Es sollen ja auch noch Stuten, Hefezöpfe und Brezeln gebacken werden. „Möchtet ihr lieber Rosinen oder Mandel im Stuten haben?“, fragt der Bäcker in die Runde. Da die Vorlieben hier auseinandergehen, wird für beide Varianten ein Teig angefertigt.

n den ersten zwei Minuten des Backvorgangs wird Dampf in den Ofen gelassen. So erhält das Brot seine Kruste.
n den ersten zwei Minuten des Backvorgangs wird Dampf in den Ofen gelassen. So erhält das Brot seine Kruste.

Mittlerweile sind die Brote soweit, dass sie in den Ofen geschoben werden können. Vorher werden sie noch ein wenig eingeritzt. „Damit die Luft entweichen kann“, sagt der Bäckermeister. In den ersten zwei Minuten des Backvorgangs wird Dampf in den Ofen gelassen. So soll das Brot eine knusprige Kruste erhalten.

Nach dem Stuten steht das Flechten eines Hefezopfs und das Formen einer Brezel auf dem Lehrplan. Hier wird es kniffelig. Nicht jeder kriegt es so gut hin wie der Lehrmeister. Damit haben die Lernbegierigen den praktischen Teil hinter sich.

Beim Sauerteigverziehen einige das Gesicht

Walter Lübben werkelt indes weiter: Schließlich möchte er noch die Herstellung von Sauerteig und Streuseln vorführen. Beim Sauerteig müssen einige das Gesicht verziehen ob des strengen Essiggeruchs. Die mit der Backstube verbundenen Wohlgerüche gewinnen aber schnell wieder die Oberhand, denn Stuten, Zöpfe und Brezel werden aus dem Ofen geholt. . .

Mit dem Verteilen von Papiertüten zum Einpacken der Backwaren findet das Seminar sein Ende. Genascht wird dann pünktlich zur Kaffeezeit zu Hause.

>> BÄCKEREI EXISTIERT SEIT ÜBER 100 JAHREN

Das nächste Seminar findet am 18. Februar statt. Voraussichtlich geht es dann um Torten. Auch im März und im April stehen Termine an: Am Sonntag, 11. März, wird es wieder ums Brotbacken gehen.

Eine Anmeldung ist möglich in der – bereits gut 100 Jahre alten – Bäckerei am Goetheplatz 3 oder unter 47 29 90. Informationen über die Bäckerei sind auch im Internet zu finden unter luebben-brot.de oder auf der Facebook-Seite der Bäckerei Lübben.

Pro Seminar wird ein Unkostenbeitrag von 40 Euro erhoben.

>> SCHON DIE ÄGYPTER LIEBTEN DAS BACKEN

Brot gehört zu den Grundnahrungsmitteln nahezu auf der ganzen Welt. In Deutschland betrug der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch im Jahre 2016 laut dem Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks 60,4 Kilogramm. Damit erzielte das Backgewerbe einen Umsatz von 142,9 Milliarden Euro.

Die Zahl der Bäckereien ist in den vergangenen Jahren durch Großbetriebe und Selbstbedienungsläden rückläufig: 11 737 Betriebe wurden 2016 gezählt.

Fladenbrote gelten als die ersten bekannten Brote

Fladenbrote gelten geschichtlich als die ersten bekannten Brote. Sie zählen zu den ungesäuerten Broten, da sie gänzlich ohne Triebmittel hergestellt werden. In der Antike wurde vor allem in Ägypten das Brotbacken kultiviert. Dort wurde auch zum ersten Mal Bäckerhefe zur Herstellung eingesetzt, heißt es. Überdies sollen die Ägypter schon 30 verschiedene Brotsorten gekannt haben.

Heute sieht sich das deutsche Bäckerhandwerk gern als Weltmeister der Brotvielfalt: Rund 300 Brotsorten und mehr als 1200 verschiedene Kleingebäcke aller Geschmacksrichtungen soll es geben. Im alten Rom gab es „panem et circenses“, Brot und Spiele. Bezeichnet wurde damit die Ablenkung der Bevölkerung von der Politik durch billige Nahrungsmittel und Massenunterhaltung. Auch heute wird dieser Begriff noch gern verwendet.

Im Christentum hat Brot durch den Ausspruch von Jesus Christus „Ich bin das Brot des Lebens“ besondere Bedeutung erhalten.