Mülheim. . Geschäftsführer Alexander Drehmann löste mit der Absage des Chanukkafestes heftige Reaktionen aus. 2018 soll wieder öffentlich gefeiert werden.

Seit zweieinhalb Jahren führt Alexander Drehmann die Geschäfte der Jüdischen Gemeinde Duisburg/Mülheim/Oberhausen. Öffentlich in Erscheinung getreten ist er bislang selten, das sei, sagt der 39-Jährige, auch nicht seine Art. Im Dezember 2017 traf Drehmann jedoch eine Entscheidung, die überregional Wellen schlug: Auf seine Initiative hin wurde die Chanukka-Feier, das jüdische Lichterfest, auf dem Mülheimer Synagogenplatz abgesagt. „Ja, diese Entscheidung ging von der Gemeinde aus.“

Die Absage erfolgte aus „organisatorischen und sicherheitsrelevanten Gründen“. Konkreter möchte der Geschäftsführer auch Wochen danach nicht werden. Für dieses Jahr sehe er jedoch kein Problem, die Kerzen wieder öffentlich zu entzünden, „da wir genügend Vorlauf haben, um die nötigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen“. Dazu könnten etwa Einlasskontrollen ­gehören, was auf dem Synagogenplatz inmitten der City allerdings schwierig sei. „Der Platz bietet sich aus historischen Gründen an“, meint Drehmann, „aber vielleicht wählen wir dennoch eine andere Location.“

Harte Kritik aus Düsseldorf an der Entscheidung

Die Entscheidung, auf das öffentliche Chanukkafest in Mülheim zu verzichten, löste teils heftige Reaktionen aus, diese reichten von herzlicher Unterstützung bis hin zu harter Kritik, etwa von Seiten der jüdischen Nachbargemeinde in Düsseldorf. Alexander Drehmann gibt sich gelassen: „Jede Gemeinde“, sagt er, „ist autonom“.

Zu der, die er administrativ leitet, gehören etwa 2500 Mitglieder, von denen gut ein Drittel in Mülheim lebt. Jedes Jahr würden es etwas weniger, „das Problem haben ja alle Kirchen“. Vor allem mehr junge Leute könnten es sein, die sich aktiv am Gemeindegeschehen beteiligen. Dieses findet zweisprachig statt, deutsch-russisch. Nach Angaben des Geschäftsführers sind mehr als 90 Prozent der Mitglieder aus der ehemaligen Sowjetunion zugewandert. „Es gibt hier nur noch drei oder vier Familien, die wirklich deutsche Wurzeln haben.“

Auch im Alltag von Unbefangenheit weit entfernt

Das Gefühl, in Unsicherheit zu leben, sei in letzter Zeit in der Gemeinde größer geworden, berichtet der Geschäftsführer. Angst machten etwa „Anschläge in Nachbarländern, bei denen gezielt Juden ermordet wurden“. Auch im Alltag sei man von Unbefangenheit weit entfernt, so besuche beispielsweise der Sohn eines Gemeindemitglieds ein Mülheimer Gymnasium, komme zum Religionsunterricht aber ins jüdische Zentrum. Auf eine Zeugnisnote für das Fach verzichte der Junge lieber, „damit seine muslimischen Mitschüler das nicht mitbekommen“.

Seit Herbst 2016 ist das Zentrum mit Saal und Synagoge am ­Duisburger Springwall umgerüstet worden zum Hochsicherheits­komplex, mit Eingangsschleuse, ­kugelsicherem Fensterglas, ­Alarmanlage, Videoüberwachung. Eine Millionen-Investition. Die ­letzten Bauarbeiten laufen noch. Grundsätzlich, so Drehmann, seien Duisburg wie Mülheim und ­Oberhausen aber „angenehme, friedliche Städte“. Auch mit Vertretern der islamischen Gemeinden habe er persönlich keinerlei Probleme: „Das sind alles positive Menschen.“

Sieben Beschäftigte im hauseigenen Sicherheitsdienst

Als Gemeinde-Geschäftsführer ist der 39-Jährige zugleich Chef eines mittelständischen Unternehmens mit etwa 40 Angestellten. Allein im hauseigenen Sicherheitsdienst sind sieben Beschäftigte tätig. Daneben gibt es sechs Sozialarbeiter, die auch vor Ort in den Räumen der Mülheimer Diakonie am Hagdorn zu allen möglichen Alltagsangelegenheiten beraten.

Drehmanns Arbeitsplatz ist ein kleines, aufgeräumtes Büro im Duisburger Gemeindezentrum. Vom Schreibtisch aus blickt er auf eine weiße Tafel, auf der er seine persönliche To-do-Liste führt. Notiert sind dort Kleinigkeiten wie „Kaktus“ (der jüdische Kindergarten braucht einen neuen Ständer für die Gummistiefel), aber auch größere Brocken: „Etat 2018!!!“.

Hinter dem Stichwort „Neumühl/Wohnen“ steckt ein Projekt, das ihm besonders am Herzen liegt: Im Stadtteil will die Gemeinde rund 40 barrierefreie Wohneinheiten errichten. „Ich hoffe, dass wir 2018 mit dem Bau beginnen können.“ Als Privatmann wird Alexander Drehmann im neuen Jahr wahrscheinlich die eine oder andere Briefmarken-Auktion besuchen. Er ist Philatelist, Spezialgebiet: jüdische Postgeschichte. „Sammler sind verrückt“, sagt er. Ein wahres Wort, das wohl unabhängig vom religiösen Bekenntnis global gilt.

>> ZUR PERSON

Alexander Drehmann übernahm im Juli 2015 die Geschäftsführung der Jüdischen Gemeinde Duisburg/Mülheim/Oberhausen. Sein Vorgänger Michael Rubinstein wechselte in derselben Position zum Landesverband Nordrhein.

Drehmann wurde geboren in der Ukraine, wanderte 1994 mit seiner Familie nach Deutschland aus und lebte zunächst in Bayern. Vor seiner Berufung an die Ruhr war er fünf Jahre Büroleiter der Jüdischen Gemeinde in Aachen.