Mülheim. . Die politischen Spannungen im Stadtrat haben viele Gründe. Dazu gehören auch die Wechsel von Mitgliedern zu anderen Fraktionen. Eine Analyse.

Die Hälfte der Wahlperiode ist um, selten war zu der Zeit ein Stadtrat in den vergangenen Jahren so zerstritten wie dieser. Wenig bringt die Politik zustande, so dass der SPD-Fraktionschef, Dieter Spliethoff, zuletzt sogar von einer politischen Bank­rotterklärung sprach. Die Gemeinsamkeiten reichen derzeit nicht einmal mehr dazu aus, um einen städtischen Haushalt zu verabschieden – die Basis für jegliches politische Handeln in der Stadt.

Keine Mehrheit für den kleinsten gemeinsamen Nenner

Für Bürger und Unternehmen kann das politische Klima unangenehm werden, auch teuer, falls ein Düsseldorfer Bürokrat kommen sollte und vielleicht die Steuern noch einmal anhebt, das Museum schließt, die Kita-Beiträge erhöht oder was auch immer tut, um den Haushalt auf den Weg zu bringen.

Vorbei sind die Zeiten, in denen es der Mehrheitsfraktion, der SPD-Spitze, immer noch gelang, eine kleine Mehrheit für den kleinsten gemeinsamen Nenner zustande zu bringen. Doch die Lockmittel für andere politische Gruppen im Rat sind ihr ausgegangen, ohnehin gibt es kaum noch Spielräume für die Erfüllung politischer Wünsche.

Die Linke im Rat ist schwer zu kalkulieren

Die Vereinnahmung der zwei Vertreter der Partei Die Linke gelang der SPD zuletzt nicht mehr. Ohnehin ist die Die Linke im Rat schweigsam und schwer zu kalkulieren. Den Einzelkämpfer Hasan Tuncer vom Bündnis für Bildung haben viele schon in den Reihen der SPD gesehen, doch auch das scheint nicht ohne größere Zugeständnisse der Genossen möglich zu sein. Die CDU-Fraktion, einst noch zähneknirschender Mehrheitsbringer für den städtischen Haushalt, hat Probleme mit sich selbst und zerfällt, wie die Wahl zum Fraktionschef zeigt, in zwei gleiche Lager. Auch innerhalb der SPD war die Stimmung schon mal viel besser: Dass ein Fraktionschef ein Ratsmitglied aus den eigenen Reihen öffentlich anprangert, weil es beruflich für das politische Ehrenamt kurzzeitig verhindert war, zeugt auch von einer Hilflosigkeit.

Jenseits des Wählervotums

Die Unfähigkeit, sich im Rat zu einigen, hat vor allem aber damit zu tun, dass zur Hälfte der Wahlperiode vieles nicht mehr so ist, wie es der Wähler bestimmt hat. Der einstige Pirat ist zur SPD gewandert. Der gelang es auch noch, Norbert Striemann an Land zu ziehen, der die Mülheimer Bürgerinitiativen (MBI) verließ. Die MBI, stets eine sehr kritische Opposition, musste gleich, und das schmerzt sie, noch einmal Federn lassen und verlor mit Hans Georg Hötger einen ihrer Führungskräfte an eine Fraktion, die sich jenseits des Wählervotums ganz neu gebildet hat: der Bürgerliche Aufbruch Mülheim. Gleich drei CDUler zogen dort ein. Mit dem einstigen AfD-Mann Jochen Hartmann hat der Aufbruch eine angriffsfreudige Spitze – ein Stachel nicht nur für die CDU, die den Weggang drei ihrer Mitglieder bis heute nicht verkraftet hat. Es gibt persönliche Missstimmungen, die inzwischen inhaltliche Entscheidungen dominieren.

Grüne sind die einzige konstante Größe

Die Grünen sind die einzige konstante Größe im Rat geblieben, treu bleibt sich auch Einzelkämpfer Cevat Bicici von Wir aus Mülheim. Die FDP hat sich neu aufstellen müssen, da Christian Mangen in den Landtag wechselte und Meike Ostermann die Stadt wegen ihrer Heirat verlassen hat.

Weitere Wechsel von Ratsmitgliedern zu anderen Fraktionen sind möglich: Was aus der kleinen Gruppe „5 vor 12“, die bis vor kurzem noch Alfa hieß, wird, ist auch völlig unklar. Ihr Mitglied Martin Fritz liebäugelt mit dem Bürgerlichen Aufbruch. Es sind viele Einzelkämpfer im bunten Rat unterwegs, einzelne, die sich oft nicht ernst genommen, manchmal auch schlecht informiert fühlen. Auch das motiviert nicht, um bedeutsame Entscheidungen mitzutragen.