Mülheim. . Mülheims Etat ohne Mehrheit: Keine Einigung, wie die Lücke 2017 geschlossen werden kann. Keine Einigung für 2018. Der Sparkommissar droht.

  • Mülheims Politik ist bei dem Versuch, einen Haushalt für 2018 zu beschließen, gescheitert
  • Rot-Grün hat es nicht mehr geschafft, eine Mehrheit zu organisieren
  • Ratssitzung am Donnerstag war geprägt von gegenseitigen Scchuldzuweisungen

Der Stadtrat hat am Donnerstagabend keinen Haushaltsbeschluss zustandebekommen. SPD und Einzelkämpfer Hasan Tuncer stimmten am Ende selbst gegen den Etat-Entwurf von Stadtkämmerer Frank Mendack, weil dieser – auch durch die Beschlüsse des Vortages – keine Aussicht auf Genehmigung habe. SPD-Fraktionschef Dieter Spliethoff sprach von einer „kommunalpolitischen Bankrotterklärung“.

Das Etat-Drama erlebte am Donnerstag seinen Höhepunkt. Die Gräben in der Kommunalpolitik sind so tief, dass in Zeiten, in denen meist die SPD als stärkste Fraktion wechselnde Mehrheiten zu organisieren hat, ein Konsens zum Etat diesmal gar ausgeschlossen war.

Gewerbesteuer-Erhöhung blieb für die CDU ein Tabu

Die CDU hatte Personaleinsparungen und die Umsetzung von Gutachter-Empfehlungen zum Nahverkehr gefordert, zuletzt die Rücknahme von ÖPNV-Beschlüssen (10-Minuten-Takt auf der 102, verbesserter Anschluss für Mintard). Die geplante Gewerbesteuer-Erhöhung blieb absolutes Tabu. Weder Union noch Rot-Grün rückten von ihren Positionen ab.

Auch ihr letztjähriger Coup gelang Rot-Grün nicht, mit Hilfe der „Kleinen“ eine Mehrheit zu organisieren, die Linken blieben beim strikten Nein. Die FDP will kräftig beim ÖPNV sparen. Die Grünen beantragten noch, aus der Wirtschaftsförderungsgesellschaft M&B auszusteigen. Der Bürgerliche Aufbruch stellte das Theater infrage, die MBI boten ihre bekannte Fundamentalopposition.

Es gab keine Basis für einen Kompromiss

Grünen-Fraktionschef Tim Giesbert (Mitte) ergriff vergeblich die letzte Initiative und forderte den Ausstieg aus der Wirtschaftsförderungsgesellschaft.
Grünen-Fraktionschef Tim Giesbert (Mitte) ergriff vergeblich die letzte Initiative und forderte den Ausstieg aus der Wirtschaftsförderungsgesellschaft. © Oliver Müller

Es gab keine Basis für einen Kompromiss. Die politischen Konkurrenten machten sich gegenseitig verantwortlich für das Scheitern. Es gelang schon nicht, die Finanzierungslücke von 4,1 Millionen Euro zu schließen, die als offene Position noch im aktuellen Haushalt steht. Nach Einzelabstimmung der Maßnahmen, die die Gemeindeprüfer Mülheim empfohlen hatten, stand fest: Es fehlten weiter 2 Millionen Euro. SPD, Grüne und Tuncer sahen die CDU in der Pflicht, weil diese am Tag zuvor die von der linken Koalition vorgeschlagenen Kita-Beitragserhöhungen nicht mitgetragen hatten. Nun sollte diese doch die gerissene Lücke schließen. Die CDU sah die Gegenseite in der Pflicht, den in deren Haushaltsbeschluss von 2016 pauschal angesetzten Konsolidierungsbeitrag selbst aufzubringen.

Am Ende stimmten nur die Grünen für den Etat-Entwurf - als positives Zeichen in Richtung Düsseldorf.Ohne genehmigten Haushalt droht, dass das Land einen Sparkommissar in die Stadt schickt, der die nötigen Haushaltsbeschlüsse in Eigenregie umsetzt. CDU-Fraktionschef Wolfgang Michels sagte: „Wir haben vor dem Sparkommissar keine Angst. Vielleicht schlachtet er ja heilige Kühe, an die die Verwaltung und Rot-Grün seit Jahren nicht herangehen wollen.“ SPD, Grüne und Tuncer warfen der anderen Seite vor, keine Verantwortung zu tragen für das Mandat der Bürger, das höchste Gut eines Lokalpolitikers auszuüben: das Haushaltsrecht.

Kaum ein Vorschlag der Gemeindeprüfer fand eine Mehrheit 

Die Politiker sollten schon aufpassen, wann sie den Saal verlassen, auch wenn sich die Einzelentscheidungen über die mehr als 50 Vorschläge der Gemeindeprüfungsanstalt (GPA) über mehr als zwei Stunden erstreckten.

Um ein Haar wäre der Gestaltungsbeirat Geschichte gewesen, dessen Wirken der planungspolitische Sprecher der SPD, Claus Schindler, noch in den höchsten Tönen gelobt hat, obwohl er nur im Hintergrund segensreich wirkt. Michael Antczak hatte mit 27-Ja-Stimmen von CDU, BAMH und MBI eine hauchdünne Mehrheit verkündet, da fiel Dieter Wiechering (SPD) auf, dass Georg Hötger vom der BAMH bei der Abstimmung gar nicht im Raum war, was dieser bestätigte – der Patt rettete den Bestand des Beirates, der dieses Jahr noch gar nicht getagt hat und nur eine läppische Einsparsumme erbringen würde. Kaum etwas fand eine Mehrheit.

BAMH-Fraktion verließ Saal, CDU verweigerte Abstimmung

Einige Abstimmungen weiter verzählte sich der Verwaltungsmitarbeiter, was bei der unübersichtlichen Situation und dem legeren Handzeichen keinesfalls verwunderlich ist, abermals, aber diesmal eskalierte die Situation. Nun ging es um Verzicht auf den Zuschuss für die Klimaschutzinitiative, eine Streichung, die von der CDU schon seit Jahren gefordert wird. SPD, Grüne und die Fraktionslosen hatten dagegen ihre Hand gehoben, eine klare Mehrheit.

Als klar war, dass das Ergebnis rechnerisch nicht passte und Oberbürgermeister Ulrich Scholten nach Rücksprache mit Stadtdirektor Frank Steinfort die Abstimmung wiederholen wollte, verließ die BAMH-Fraktion unter Protest den Saal, CDU-Fraktionschef Wolfgang Michels erklärte, dass sich die CDU an der Abstimmung nicht beteiligen werde und auch er verließ den Saal.

Es gab auch einstimmige Entscheidungen

Auch wenn es zum Schluss schon fast unerträglich wurde, wie beide Seiten aufeinander hackten, gab es auch viele einstimmige Entscheidungen: der Zuschuss für das CBE, der OGS-Zuschuss, die Neubaupläne für ein Schwimmbad, den Bau der Kunststofflaufbahn sowie der Fortbestand des Kunstmuseums und der Stadtteilbüchereien (bei den letzten beiden Punkten gab es allerdings zwei Gegenstimmen der FDP).

„Wir hätten mehr mitgetragen als diejenigen, die die Liste in die Welt gesetzt haben“, meinte Eckart Capitain, als man schon beim Schwarze-Peter-Spiel war: Die Baumschutzsatzung, Einschnitte bei den Leistungen für den Mülheim-Pass und dem Musikförderprogramm Jekits und Grundstückerlöse sind die Themen.