Mülheim. . Studie: Einsatzkräfte von Feuerwehr und Rettungsdienst sehen sich häufiger gewalttätigen Angriffen ausgesetzt. Mülheimer dokumentieren Fälle.
- Studie belegt: Jede achte Rettungskraft in NRW wird im Einsatz Opfer körperlicher Gewalt
- In Mülheim werden Fälle von verbaler und körperlicher Gewalt in einer Datenbank erfasst
- Von Januar bis jetzt wurden 30 Fälle registriert. Die meisten werden zur Anzeige gebracht
Rettungskräfte sind zunehmend gewalttätigen Übergriffen ausgesetzt – sie werden geschubst, bespuckt, angepöbelt. Während verbale Attacken schon fester Bestandteil ihres Berufsalltags sind, sehen sich die Helfer immer öfter auch körperlichen Angriffen ausgesetzt. Eine aktuelle Studie der Ruhr-Uni Bochum hat herausgefunden, dass jede achte Rettungskraft in NRW im Einsatz Opfer körperlicher Gewalt wird. In Mülheim dokumentiert die Feuerwehr solche Fälle in einer Datenbank.
Ein dickes Fell zugelegt
Seit Juni vergangenen Jahres werden Fälle von körperlicher und verbaler Gewalt in der eigens dafür angelegten Datenbank erfasst. Schließlich begleitet sie das Thema seit Jahren. Von Januar bis heute zählt Feuerwehrsprecher Thorsten Drewes 30 Fälle. Er weiß: „Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher sein.“ Viele seiner Kollegen haben sich mittlerweile ein dickes Fell zugelegt, stellen nicht jeden Vorfall in die Datenbank. Diese dient nicht nur der Statistik, sondern ist auch eine Art Kummerkasten, zu der jeder Mitarbeiter Zugang hat und seine Erfahrungen aus gewalttätigen Einsätzen aufschreiben kann – was durchaus reinigende Wirkung hat.
„In allen aufgezeichneten Fällen liegt aggressives Verhalten vor“, sagt Drewes. Unterschieden wird in der Datenbank zwischen „Androhung und Versuch von Schlägen“ (acht Fälle), „Anfassen oder Festhalten“ (sieben Fälle), „Anspucken“ (drei Fälle), „Beschädigung des Rettungswagens“, „Hantieren mit einem Messer“ und „Versuch vom Gebrauch der Schusswaffe“ (jeweils ein Fall). Beim Rest handelt es sich um verbale Attacken, denen die Helfer ausgesetzt waren – übrigens nicht nur im Einsatz, sondern auch in sozialen Medien wie Facebook. „Die Respektlosigkeit ist allgemein gestiegen“, hat Drewes festgestellt.
Mann zog überraschend eine Schusswaffe
Ein brenzliger Fall ereignete sich etwa Anfang Januar, als Rettungssanitäter zu einem alkoholisierten Mann gerufen wurden, der sich zuhause verletzt hatte. „Die Kollegen wollten ihn zur Behandlung ins Krankenhaus bringen, doch er weigerte sich“, berichtet Drewes. „Plötzlich wurde er aggressiv, so dass die Helfer die Polizei zur Unterstützung anforderten.“ In seiner Rage zog der Mann überraschend eine Schusswaffe. „Es gelang den Rettungskräften glücklicherweise, ihm die Waffe abzunehmen.“ Als die Polizei vor Ort eintraf, randalierte der Mann weiter, ging schließlich die Beamten an.
Auch die Polizei Mülheim verzeichnet einen kontinuierlichen Anstieg der Widerstände gegen ihre Beamten. In 2012 waren es 35 Fälle, in 2016 schon 60. Fast 90 Prozent der Angriffe wurden von Männern begangen. „Widerstände passieren oft bei Eindringen in persönliche Bereiche“, erklärt Polizeisprecherin Judith Herold. „Etwa bei häuslicher Gewalt, wenn wir Kinder aus der Familie nehmen.“ In ganz vielen Fällen von Widerständen seien die Personen zudem im Alkohol- oder Drogenrausch, bestätigt auch Thorsten Drewes, der weiß, dass es oft die Patienten selbst sind, die die Retter angehen. Er macht klar: „Angriffe sind unterste Schublade.“ Und ganz klar Straftaten, die in den meisten Fällen angezeigt werden.