Mülheim. Das Thema Gewalt begleitet die Einsatzkräfte seit Jahren. Künftig wird es genaue Zahlen geben. Aber auch gedankenlose Autofahrer behindern die Helfer.
- Polizei ermittelt gegen den Täter, der Rettungswagen beworfen hat
- Gedankenlose Autofahrer behindern die Arbeit der Feuerwehr
- Feuerwehr fährt regelmäßig kritische Strecken zur Kontrolle ab
Es geschah auf einer Einsatzfahrt in der vergangenen Woche auf der Sandstraße, als plötzlich eine Apfelsine auf der Windschutzscheibe zerplatzte. Kurze Zeit später knallte ein Wurfgeschoss an die Beifahrerseite (wir berichteten). Der erschrockene Fahrer des Rettungswagens behielt die Nerven und steuerte weiter und rechtzeitig zu einem Verkehrsunfall, wo eine verletzte Frau versorgt werden musste.
Fälle wie dieser, bei dem die Polizei noch ermittelt, sind in Mülheim eher die Ausnahme. Doch kennen die Feuerwehrleute Behinderungen ihrer Arbeit, und auch Gewalt, wie das Werfen von Gegenständen oder Beschimpfungen, Alkoholisierte, die aggressiv auf die Sanitäter reagieren. Oder auch Silvesterböller, die bei Einsätzen zum Jahreswechsel in Richtung der Feuerwehrleute fliegen – häufig ist auch da reichlich Alkohol im Spiel, weiß Michael Panz. „Das ist für uns kein ganz neues Thema“, sagt der Abteilungsleiter Rettungsdienst und Einsatzdienst. „Das begleitet uns seit Jahren.“ Wenn man Beleidigungen dazu zähle, meint Panz: „Jede Einsatzkraft hat schon einmal Gewalt in irgendeiner Form erlebt.“
Seit Juni 2016 werden alle Fälle in einer Datenbank erfasst
Bei Fort- und Ausbildungen wird das Thema längst behandelt. Michael Panz empfindet deutlich, dass die Fälle zugenommen haben, dass es weniger Hemmungen gibt. So kommt es etwa zu Beschimpfungen, wenn die Feuerwehr beim Einsatz Zufahrten blockieren muss. Mit Zahlen belegen kann das die Feuerwehr demnächst genau: Seit Juni werden die Fälle und auch die Form der Gewalt gegen Einsatzkräfte in einer Datenbank dokumentiert, weil aktuell die technischen Voraussetzungen geschaffen wurden. Vom 1. Juni bis Ende September 2016 gab es rund 5000 Einsätze, zählt Panz auf, darunter habe es 17 Fälle gegeben, die unter den Begriff Gewalt fielen. Vorrangig sei es um Beleidigungen oder Androhung von Schlägen gegangen: „Es war keiner darunter, der zur Anzeige gebracht wurde.“ Die Feuerwehrleute konnten schon immer Anzeige erstatten, doch nicht jeder hat das nach einer Drohung oder einer Beschimpfung getan.
Behinderungen der Feuerwehr sind ein Thema, bei dem es wohl weniger die böse Absicht als Gedankenlosigkeit ist: das Zuparken von Feuerwehrzufahrten, zum Beispiel. Der Wagen mit der Drehleiter, die Menschen aus brennenden Häuser retten kann, muss nah ran an das Gebäude. Und es ist ein 16-Tonner, ein Lkw, der Platz benötigt.
Ein weiteres Problem der Feuerwehr: zugeparkte Straßen
Apropos Platz: Die drei Meter Fahrbahnbreite, die die Straßenverkehrsordnung vorsieht, ist in Vierteln mit hohem Parkdruck oft auch nicht gegeben. Schon gar nicht in kleinen Anliegerstraßen, in denen auf beiden Seiten geparkt wird. „Dann passt noch ein Pkw durch, aber kein Großfahrzeug der Feuerwehr“, sagt Michael Panz.
Einmal im Quartal fährt die Feuerwehr daher kritische Strecken zur Kontrolle ab. Hinweise dazu kommen oft aus der Bevölkerung oder vom Außendienst des Ordnungsamtes. Auch Verkehrsberuhigungen in zugeparkten Straßen können kritisch werden: „So wünschenswert das für die Anwohner ist, so kritisch ist das für uns“, sagt Sven Werner, stellvertretender Feuerwehrchef. Dann hinterlässt die Feuerwehr gern ein rotes Kärtchen an der Windschutzscheibe: „Im Notfall zählt jede Sekunde“, steht da drauf. Und: „Wir kommen zu Ihnen – wenn Sie uns lassen.“