Mülheim. . Der Stadtrat muss den Etat für 2018 beschließen, sonst gibt die Politik die Zügel im Haushalt aus der Hand. Eine Einigung scheint nicht in Sicht.
- Mülheim muss Millionen aufbringen für die Teilnahme am Stärkungspakt mit dem Land
- CDU hält die Erhöhung der Gewerbesteuer für das falsche Signal
- Bürgerlicher Aufbruch will am Theater sparen und fordert Kooperation mit den Nachbarstädten
Der Countdown läuft: Nächste Woche muss der Stadtrat einen Etat für 2018 beschließen, sonst gibt die Politik die Zügel aus der Hand in der Haushaltsbewirtschaftung. Ein Sparkommissar aus Düsseldorf würde dann in Eigenregie festlegen, wo die Millionen herkommen sollen, die Mülheim aufbringen muss für die Teilnahme am Stärkungspakt mit dem Land. Doch Mülheims Politik droht bei der Konsensfindung zu scheitern.
Ein hartes politisches Gerangel ist ohnehin erwartet worden, als der neue Stadtkämmerer Frank Mendack am 30. August seinen ersten Etat-Entwurf in die Debatte einbrachte. Doch selbst die strengen Regeln, die das Land der Stadt auferlegt, damit im Gegenzug in den kommenden Jahren Millionen aus dem Stärkungspakt nach Mülheim fließen können, diszipliniert das politische Mülheim nicht. Vielmehr offenbart sich wieder einmal Rat- bis Kreativlosigkeit, Veto- und Hinterzimmerpolitik.
Keine echte politische Etatdebatte mehr
Schon lange findet keine echte politische Etatdebatte mehr statt. Jahrelang handelten SPD und CDU ihre Einigung in Hinterzimmern aus. Mit Hinweis auf Beratungsbedarf wurden Auseinandersetzungen in der Sache in Fachausschüssen ausgebremst. Mit ihrem ausgehandelten Konsens überrumpelten die Großkoalitionäre die politische Konkurrenz erst in den entscheidenden Ratssitzungen.
Im vergangenen Jahr kündigte die CDU der SPD dann wegen des einst gemeinsam beschlossenen Stufenplans zur Erhöhung von Gewerbe- und Grundsteuer die Partnerschaft. Der SPD gelang in einer Nacht- und Nebelaktion mit den Linken und Hasan Tuncer (Bündnis für Bildung) noch eine Einigung, damit die Stadt handlungsfähig bleiben konnte. Und nun haben die Linken nach einstimmigem Votum der Mitgliederversammlung schon verkündet, nicht wieder als Mehrheitbeschaffer zur Verfügung zu stehen. Kürzungsvorschläge der Gemeindeprüfungsanstalt (GPA) seien abzulehnen, so die Linken. „Kürzungen im Personalbereich, Arbeitsverdichtung, Einsparungen in sozialen und kulturellen Einrichtungen lehnen wir ab“, sagt Kreissprecher Thomas Lewrenz. Schon heute seien soziale und kulturelle Einrichtungen unterfinanziert, die Ämter unterbesetzt, so Kreissprecherin Andrea Mobini.
CDU legt der SPD Brocken auf den Verhandlungsweg
Auch die CDU legt der SPD dicken Brocken auf den Verhandlungsweg. Sie beantragt, den Gewerbesteuer-Hebesatz ab 2018 unverändert bei 525 Prozent zu lassen und nicht auf 550 Prozent anzuheben, wie einst mit der SPD beschlossen. Eine weitere Steuererhöhung sei – auch mit Blick auf die niedrigeren Hebesätze im Nachbarkreis Mettmann – das „falsche Signal im Wettbewerb um einen attraktiven Beschäftigungs- und Wirtschaftsstandort“, heißt es zur Begründung. Wo sollen die Millionen herkommen, die Mülheim braucht, um den Sparkommissar draußen zu lassen? Die CDU bleibt in ihrem Antrag vage: „Es werden andere Möglichkeiten gesehen, um zu einem Ausgleich zu kommen.“
Auf die MBI kann die SPD in der Etatfrage nicht hoffen, auf die FDP auch nicht. Die Fraktion BAMH (Bürgerlicher Aufbruch) machte am Freitag klar, dass sie den Etat-Entwurf ablehnt, ja sogar den Sparkommissar, die Fremdbestimmung aus Düsseldorf, herbeisehnt, um der Verschuldungsspirale Herr zu werden. „Der Staatskommissar ist keine Drohung für uns“, sagt Hans-Georg Hötger. Fraktionschef Jochen Hartmann fände es „gut, wenn die Hinterzimmerpolitik mal ein bisschen durchfegt wird“. Der BAMH präsentierte Freitag immerhin eigene Debattenbeiträge zur Haushaltspolitik.
Kämmerer Mendack sieht sich, was er durch frühzeitige Hinterzimmer-Runden mit der Politik zu vermeiden suchte, einem unangenehmen Showdown gegenüber. Er hatte die Fraktionen gebeten, bis Ende September in der Liste der GPA-Vorschläge dort Haken zu setzen, wo Kompromissbereitschaft besteht. Nur Grüne und MBI haben dem Vernehmen nach der Aufforderung entsprochen, eine zweite Frist ist verstrichen. Der BAMH erklärt: Wenn SPD und CDU wahrscheinlich wieder im Verborgenen mauschelten, sei man nicht bereit, die Karten auf den Tisch zu legen.
BAMH will am Theater sparen
Der Bürgerliche Aufbruch (BAMH) will sich trotz angekündigter Ablehnung einer Etatdebatte nicht verweigern. Am Freitag setzte er sechs Pflöcke dafür ein. Aufsehen erregen dürfte die Forderung, das Theater an der Ruhr möge künftig ohne Zuschüsse auskommen. Die sind in den letzten Jahren stark gestiegen auf mittlerweile über drei Mio. Euro. Hötger, selbst Vorsitzender des Kulturausschusses, übt daran scharfe Kritik.
Das „Nischentheater“ bediene nur „elitäres Klientel“ und sei von seinem Betriebszweck, ein Theater für alle Bevölkerungsschichten zu sein, weit entfernt. Dass das Theater sich drei gut bezahlte „Direktoren“ leiste, sei nicht einzusehen. Mit Ringlokschuppen, Backsteintheater und Volxbühne leiste sich die Stadt im Schauspielbereich gleich mehrere Zuschussbetriebe, so Hans-Georg Hötger. Das Theater müsse mehr mit Häusern in der Nachbarschaft kooperieren.
Geld eingespart sehen will der BAMH auch in der Betreuung der Flüchtlingsunterkünfte an der Mintarder und der Holzstraße. Es sei nicht einzusehen, warum nach Umstellung auf Selbstversorgung der Flüchtlinge weiterhin 17,5 Stellen für Verwaltung und Betreuung vorgesehen seien, so Ramona Baßfeld. Das sei eine Belastung von 900 000 Euro jährlich.
Styrumer Tangente wieder im Gespräch
Bei Erhöhung der Elternbeiträge für Kita und Co. will der BAMH dem Vorschlag der Verwaltung nicht folgen, schlägt stattdessen vor, die Beiträge nur einmal zum August 2018 anzuheben und dann mittels Indexierung moderater als geplant ansteigen zu lassen. Ferner fordert die Fraktion zur Generierung von Gewerbesteuern, dass mit der Styrumer Tangente nach Jahrzehnten des Stillstands die Mannesmann-Brache erschlossen wird, der Gestaltungsbeirat eingestampft und das Erste-Hilfe-System der „Mobilen Retter“ eingeführt wird.