Mülheim. . n den Neunzigern erkämpften sich Jugendliche die Halle an der Auerstraße – und gründeten das Autonome Zentrum. Die Mitbegründer erinnern sich.

  • 1997 bezogen etwa 20 bis 30 Mülheimer Jugendliche die alte Reithalle an der Auerstraße
  • Dort gründeten sie das Autonome Jugendzentrum mit selbstgestaltetem Programm
  • Heute feiert das Jugendzentrum den Geburtstag mit Partys, Konzerten und einer Ausstellung

Die Keimzelle war ein alter Bauwagen. In diesem organisierten Wiebke Jaax, Peter Possekel und ihre Mitstreiter die ersten Projekte des jungen Jugendzentrums. Der Bauwagen steht auch 20 Jahre später noch in der alten Halle des Autonomen Zentrums (AZ). Um ihn herum hat sich viel entwickelt. Jaax und Possekel sind Mitbegründer von Mülheims erstem selbstverwalteten Jugendzentrum. Lange mussten sie sich in den Neunziger Jahren die Räume dafür erkämpfen, heute feiert das AZ seinen 20. Geburtstag mit Konzerten und einer Foto-Ausstellung.

Am Anfang stand der Wunsch nach Selbstbestimmung. Anders als in klassischen Jugendzentren sollte ein Ort für junge Menschen zwischen 15 und 27 Jahren entstehen, an dem sie sich selbst organisieren können. Bereits 1988 hatten Mülheimer Jugendliche eine Initiative gegründet, die diese Idee umsetzen wollte. „Also kein Kulturprogramm, das von oben diktiert wird, sondern das die Besucher selbst planen“, erklärt Peter Possekel. Er selbst ist 19 Jahre alt, als er sich 1995 der Initiative anschließt.

„Die scheinbar einzige Alternative war eine Besetzung“

Diese hatte sich mittlerweile als gemeinnütziger Verein eintragen lassen, um ihre Interessen gezielter umsetzen zu können. Damals hatte sich eine Koalition aus CDU und Grünen gebildet, die die Entwicklung eines solchen Jugendzentrums in ihren Koalitionsvertrag aufnahm. „Dieses Versprechen wollte ich aktiv mit einfordern“, sagt Peter Possekel. Doch schnell stellten die Jugendlichen fest, dass Gespräche, Demos und Benefiz-Konzerte zu keinem Ergebnis führten, die Politik sich kaum rührte. „Die scheinbar einzige Alternative war eine Besetzung.“

Also zog die Gruppe im März 1996 in die Lederfabrik Rühl in Saarn. Ein halbes Jahr besetzten sie das Gebäude, bis die Polizei es schließlich räumte. Die Gespräche mit der Verwaltung für die legale Umsetzung des Projekts liefen parallel zur Besetzung „und waren so weit fortgeschritten, dass sich Verein, Stadt und Politik auf die leerstehende Halle einigen konnten“, erklärt Possekel. Die ehemalige Reithalle an der Auerstraße wurde mittlerweile als Altmöbellager von der Stadt genutzt. „Die Halle war völlig marode, das Dach kaputt“, erinnert sich auch Wiebke Jaax.

In der offenen Kneipe treffen
In der offenen Kneipe treffen © Oliver Müller

Land und Stadt finanzierten das Projekt

Schließlich fand sich ein Förderer für das Projekt: „Das Land gab 2,5 Millionen DM aus dem IBA-Programm für den Umbau und als Erstanschub.“ Die Stadt legte noch einmal 250 000 DM drauf. Heute finanziert sich das AZ nach Angaben des Förder- und Trägervereins zu rund 60 Prozent selbst, darunter aus Einnahmen. Etwa 40 Prozent der Kosten würden durch einen städtischen Zuschuss, der aus dem Jugendetat kommt, getragen.

Die Jugendlichen gründeten damals eine Bauplanungsgruppe, packten alle mit an und möbelten die große Halle und das über 1000 Quadratmeter große Areal über mehrere Jahre gründlich auf. „Wir erneuerten das Dach, bauten eine Theke, besorgten Billard-Tisch und Möbel vom Sperrmüll – so wuchs das AZ Stück für Stück.“

Auch heute planen die verschiedenen Gruppen das Programm selbst. Es gibt Tanzprojekte, einen Filmclub, einen Kletter- und Skate-Treff, eine Fahrrad-Werkstatt, zahlreiche Partys und Konzerte. Wiebke Jaax und Peter Possekel freut es zu sehen, dass „ihr“ Projekt bis heute Bestand hat. Sie selbst kommen aber nur noch selten an die Auerstraße. „Es ist wichtig, dass ein Generationenwechsel stattfindet“, sagt das Paar, während ihre drei Kinder im Boulderraum der Halle das Klettern üben.

>> KONZERTE UND AUSSTELLUNG

Im Oktober 1997 spielte die erste Band auf der Bühne des Jugendzentrums. „Daher treten zum 20. Geburtstag auch einige Bands auf, die schon damals hier gespielt haben“, sagt Nils Jansen, der sich zusammen mit 19 festen Kollegen und rund 100 Ehrenamtlichen um die Organisation im AZ kümmert. Mittlerweile kommen Nachwuchsmusiker aus ganz Deutschland und Europa an die Auerstraße, um dort zu spielen. „Die Bands treffen sich hier und sind gut vernetzt.“

Los geht es am morgigen Samstag, 30. September. Dann spielen lokale Bands, die sich mit dem AZ verbunden fühlen. Darunter Ameise, Elurra, LFO, Lily Havoc, Operation Semtex, Orange Swan und Sunflowers of Death. Los geht’s um 18 Uhr, anstelle eines Eintrittsgeldes wird um Spenden gebeten.

Wer 20 wird, feiert gleich mehrfach. Daher geht’s am Freitag, 6. Oktober, weiter mit den Konzerten. Und es wird laut. Mit Protest Grotesk, TV Smith (Singer-Songwriter aus Großbritannien), Fliehende Stürme (Dark Wave), Dividing Lines und Grrzzz aus Frankreich (Industrial Punk). Danach ist Party angesagt. Im oberen Bereich der Halle werden Bilder aus den vergangenen 20 Jahren in einer Ausstellung gezeigt.

Am Samstag, 7. Oktober, gibt es dann noch ein Konzert und eine Party mit Metal, Punk und Elektropunk. Einlass: jeweils um 17 Uhr für 5 Euro. Mehr zum Programm: www.az-muelheim.de