Mülheim. . Trotz wachsender Konjunktur: Immer mehr Mülheimer Rentner und Frauen geraten in die Schuldenfalle. Awo-Stelle berät niederschwellig
- Gut 1300 Fälle im Jahr bearbeitet die Awo-Beratungsstelle, darunter 110 Insolvenzen.
- Immer häufiger kommen auch Rentner, alleinstehende Frauen und geringfügig Beschäftigte in Bedrängnis.
- Sparkasse Mülheim unterstützt das Beratungsteam mit 28 428 Euro.
Die Zahl der privaten Insolvenzen und Verschuldungen in Mülheim bleibt seit Jahren konstant, meldet die Schulden- und Insolvenzberatung der Arbeiterwohlfahrt (Awo). Während die deutsche Wirtschaft brummt, also mehr Menschen in Arbeit sind, scheint dies auf die Zahl der Verschuldungen kaum Auswirkungen zu haben.
Gut 1300 solcher Fälle im Jahr bearbeitet die Awo-Beratungsstelle an der Friedrich-Ebert-Straße 4 mit zwei Voll- und zwei Teilzeitkräften sowie einer halben Verwaltungsstelle plus ehrenamtliche Helfer, die die Aktenlage vorsortieren.
Die konstante Fallzahl finanzieller Probleme bei Bürgern trotz steigender Konjunktur sieht Leiter Carsten Welp als ein „Warnsignal“ für die Gesellschaft. Awo-Chef Lothar Fink stimmt zu: Aus seiner Sicht müsste die Zahl der Verschuldungen doch rückläufig sein, wenn mehr Menschen in Arbeit sind.
Konstante Fallzahl ist ein „Warnsignal“
Die Insolvenzen machen mit 110 Fällen dabei nur einen geringen Anteil aus. Betroffen sind inzwischen auch nicht nur Bürger, die von einem knappen Hartz-IV-Existenzminimum leben müssen – sie machen etwa 40 Prozent der Beratungen aus.
Immer häufiger aber kommen Rentner, alleinstehende Frauen und geringfügig Beschäftigte in Bedrängnis, ihre Ausgaben nicht mehr stemmen zu können, sagt Welp. Nur etwa fünf bis zehn Prozent der von ihm bearbeiteten Fälle sind Menschen, die seit Jahren offenbar immer wieder in die Schuldenfalle gehen.
Schulden nur Spitze des Eisbergs
Doch die Schulden sind zumeist nur die Spitze eines Eisbergs. Unter der Oberfläche liegen nicht selten Probleme in der Familie oder eine Suchtproblematik wie Spielschulden, erläutert Welp, der seit 16 Jahren in der Beratungsstelle arbeitet. Hier liegt für den Berater der wichtige Ansatz zur Lösung - wenn auch nicht selten ein belastender: „Aber ohne diese Hintergrundprobleme zu klären, lassen sich auch die Schulden nicht beheben.“
Null-Prozent-Finanzierung ist verführerisch
Allerdings sind auch die vielen Ratenangebote mit Null-Prozent-Finanzierung verführerisch: Ein neuer Fernseher, eine Küche auf Raten - das scheint zunächst noch zu gehen, „einige verlieren dabei die Übersicht über die gesammte Summe. Kommen die Rechnungen, machen sie ihre Post nicht mehr auf, ziehen keine Kontoauszüge mehr“, erzählt Welp aus dem Beratungsalltag - an manchen Tagen kommen bis zu 50 Fälle ins Büro.
Um die Schwelle der Problemverdrängung zu überwinden, bietet die Awo-Stelle bewusst offene Beratungstermine jeden Dienstag von 9 bis12 sowie donnerstags von 14 bis 18 Uhr an. Häufig geht es darum, erst einmal die Lebenshaltung sicher zu stellen, einen Pfändungsschutz für das Konto herzustellen. Dann nimmt das Team Gespräche mit den Gläubigern auf.
Sparkasse unterstützt Beratungsstelle
Mit 28 428 Euro greift die Sparkasse Mülheim der Beratungsstelle unter die Arme.
„Die Geld ist eine wichtige Basis für unsere Arbeit“, sagt Awo-Chef Lothar Fink.
Denn die Landesmittel für die Beratung werden seit Jahren nicht erhöht. Die Stelle wird ebenso aus Mitteln des SGBII finanziert.
„Man muss diesen Beitrag für die Gesellschaft hoch anrechnen. Wir stellen uns der gesellschaftlichen Verantwortung“, sagt Ralf Dammeyer im Vorstand der Sparkasse. Die wenigsten Insolvenzfälle kommen von der Sparkasse.