Mülheim. SPD-Ortsvereinschef Peter Bruckhaus hat noch am Wahlabend einen Appell an Landes-Chef Groschek gerichtet: Es brauche eine Erneuerung von unten.
- Mülheims SPD ist geschockt von dem schlechten Ergebnis bei der Bundestagswahl
- Ortsvereinvorsitzender Peter Bruckhaus fordert „eine Erneuerung von unten“
- Dieter Spliethoff fordert wie Direktkandidat Arno Klare neue Kommunikationsformen mit den Bürgern
Peter Bruckhaus hat nach der empfindlichen Wahlschlappe am Sonntag nicht lange gezögert. Der 61-Jährige hat sich hingesetzt und seinem Landesparteichef Michael Groschek geschrieben. „Wir haben aus der NRW-Wahl nichts gelernt“, sagt Bruckhaus, der Vorsitzende des SPD-Ortvereins Holthausen-Menden-Raadt. Er ist nicht der Einzige bei den Mülheimer Genossen, die die Zeit längst gekommen sehen, die Taste „Neustart“ zu drücken.
Schon am Wahlabend hatte der noch knapp siegreiche Direktkandidat Arno Klare in einer offenen wie schonungslosen Selbstkritik seiner SPD ins Hausaufgabenheft diktiert, sich „neu erfinden“ zu müssen. Offener müsse die SPD im Umgang mit Bürgern werden, dialogbereiter. Die Kommunikationsstruktur im Parteiapparat sei grundsätzlich überkommen. Eine neue „Verzahnung zum Bürger“ müsse her.
Konferenz mit Vertretern der Ortsvereine empfohlen
Ortsvereins-Chef Bruckhaus teilt diese Meinung. Er hat Groschek dringend empfohlen, alsbald eine Konferenz mit Vertretern der Ortsvereine einzuberufen. Nicht Unterbezirksparteitage und andere Delegiertenversammlungen seien die Basis der SPD, sondern die Ortsvereine selbst. Ihre Ideen müssten mal ungefiltert auf den Tisch, fordert Bruckhaus. „Was sind unsere Thermen, wo stehen die Bürger?“ Es bedürfe einer „Erneuerung von unten“, sagt der Ortsvereinsvorsitzende.
Bruckhaus selbst ist 61, sein Stellvertreter Timon Rhein 19. Bruckhaus plädiert dafür, dass die Jusos eine wichtige Rolle im Prozess der Umstrukturierung spielen. Die Jungen in der Partei müssten eingebunden sein, nicht immer weiter vertröstet werden, so dass „sie zehn Jahre lang nur Prospekte verteilen“. Eine Symbiose aus jungem Mut, jungen Ideen und Erfahrung der Alten müsse her. „Das“, erkennt Bruckhaus, „ist in Mülheim schwer. Die Alten lassen nicht los.“
Die SPD ist in Mülheim noch in komfortabler Lage, im Stadtrat die AfD nach ihrer Selbstzerfleischung zu Beginn der Wahlperiode noch nicht im Nacken zu haben. Drei Jahre sind Zeit, sich neu zu finden.
Dieter Spliethoff, Fraktionschef und selbst Vorsitzender der Dümptener Genossen, denkt ähnlich wie Bruckhaus. Am Montagabend wollte der Parteivorstand in Mülheim die neue Lage beraten, nach 60 Jahren gar die Vorherrschaft in der Stadt verloren zu haben, ganz entgegen dem Anspruch, die „Mülheim-Partei“ sein zu wollen.
Bundestagswahl sei nicht Kommunalwahl, sagen die Genossen zwar. Und doch, so Spliethoff: „Wir haben die Wähler offensichtlich nicht erreicht.“
„Geschockt und ratlos“ mit Blick auf AfD-Ergebnis
„Wir sind geschockt und auch ein bisschen ratlos“, sagt er mit Blick auf die zweistellige AfD, Faschisten nennt er sie. Und diese AfD hat auch bei ihm in der Nachbarschaft rund um St. Barbara, „eigentlich ein sehr gutes bürgerliches Viertel“, reichlich Stimmen eingesammelt. Ein bisschen sieht der SPD-Fraktionschef die etablierten Parteien insgesamt im Dilemma: „Viele Menschen möchten einfache, kurze Antworten.“ Wege aber etwa aus der Altersarmut aufzuzeigen, sei wegen der thematischen Komplexität „nicht in 1:30 möglich“.
Spliethoff hofft, dass die SPD mehr von dem bringt, was ihr Kandidat Arno Klare im Wahlkampfexerziert hat. Klare hatte sich angeboten, in den Wohnzimmern oder auf den Terrassen von Bürgern für eine Debatte zur Verfügung zu stehen. Die Nachbarschaft eingeladen, Kaffee und Kuchen mitgebracht. Rund 40 dieser Termine hat Klare bestritten. Für Spliethoff ist so etwas zukunftsweisend, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Allerdings stoße die Organisation dessen auch an Grenzen. Politik sei nun mal oft auch nur ein Ehrenamt.
Bürger-Themen nicht verpennen
Die SPD, unterstreicht Genosse Peter Bruckhaus, dürfe es sich nicht leisten, Themen der Bürger zu verschlafen. Er blickt da ärgerlich zurück auf den jungen Altenpfleger, der Kanzlerin Merkel in einer TV-Runde mit den Problemen seines Berufsstandes konfrontiert hatte. „Wir haben das Thema vorher auch verpennt“, sagt Bruckhaus. „Dann muss man sich nicht wundern, wenn einen die Leute nicht mehr ernstnehmen.“
In Depression verfallen will Bruckhaus dennoch nicht. Am Sonntag noch die heftige Wahlschlappe – und doch sagt er zu seinem politischen Ehrenamt: „Es macht trotzdem Spaß!“