Mülheim. Während SPD und CDU ein Fiasko verkraften müssen, lief es bei FDP und AfD nach Plan. Für die Grünen hätte es schlimmer kommen können. Reaktionen.

Die Bundestagswahl 2017 ist für die SPD und die CDU in Mülheim ein Fiasko unterschiedlichen Ausmaßes geworden. FDP und AfD legten kräftig zu. Grüne und Linke präsentierten sich nahezu stabil. So haben die Parteien auf das Geschehen am Wahlabend reagiert:

Die SPD

„Jetzt kommt die Katastrophe“, ahnte Ratsfraktionschef Dieter Spliethoff exakt um 17.59 Uhr schon nichts Gutes. Und es kam so – und noch schlimmer. Dass die SPD in Mülheim noch hinter der CDU landete, nannte Parteichef und OB Ulrich Scholten „einen Schlag ins Kontor“. Man hätte sich auf „Themen, die andere eingesammelt haben“, etwa bei Sicherheit und Flüchtlingen, stärker einlassen sollen, so seine Selbstkritik.

Ratsfraktionschef Dieter Spliethoff nannte das Ergebnis „eine Zäsur, eine politische Katastrophe für uns, aber auch für die Demokratie, denn seit 70 Jahren sitzen erstmals Faschisten im Bundestag“. Der knappe Sieg von Arno Klare sei da nur „ein schwacher Trost“.

Die CDU

Freude mag bei der CDU angesichts der Verluste nicht aufkommen. Auf den Smartphones checken sie die Ergebnisse und drücken ihrer Vorsitzenden die Daumen, dass sie den Einzug über die Landesliste schafft. Das Abschneiden der AfD bestürzt alle. „Was sollen sie noch sagen und sie werden doch gewählt?“, stellt Timmermann-Fechter fest. Für ihren Vorgänger Andreas Schmidt sind das gezielte Provokationen, um den rechten Rand zu binden. „Solche Positionen – etwa von Stolz auf die Wehrmacht – sind absurd und widersprechen der Verfassung oder unserer Verantwortung für Europa.“ Er fordert, die AfD argumentativ, offensiv anzugehen. „Sie haben keine Lösungsansätze, sie schüren Ängste, um davon zu profitieren.“

Die Grünen

Erleichterung und Entsetzen gehen bei den Grünen Hand in Hand. Der Erleichterung darüber, den befürchteten Absturz mit einem bundesweiten Ergebnis von mehr als neun Prozent abgewendet zu haben, steht das Entsetzen über das starke Abschneiden der AfD entgegen. „Dass die Menschen so vergesslich sind, erschreckt mich sehr“, sagt Grünen-Fraktionssprecher Tim Giesbert.

Das Mülheim-Essener Grünen-Ergebnis von 6,76 Prozent nennt er unterdessen „okay“. Angesichts der Stimmungslage im Land „hätte es auch schlimmer kommen können“, so Giesbert. Das Ergebnis zeige auch, dass es sich lohne, für eine offene und gerechte Gesellschaft zu kämpfen, sagt der Fraktionssprecher und lobt die Arbeit der Grünen-Direktkandidatin in Mülheim, Franziska Krumwiede-Steiner.

Krumwiede-Steiner, die einen Großteil ihrer Kampagne auf die Gesprächsreihe „Das soziale Gesicht der Stadt“ ausgerichtet hatte und auf einen Stimmenanteil von 6,25 Prozent kam, nimmt zum Abschluss einen Blumenstrauß von Vorstandssprecherin Heidemarie Sinn-Leyendecker entgegen. Die 32-Jährige, die ihr zweites Kind erwartet, kann sich eine Jamaika-Koalition aus CDU, Grünen und FDP im Bund durchaus vorstellen.

Die Linken

Marc Scheffler, Direktkandidat der Linken, zeigt sich zufrieden mit dem Ergebnis: „Wir haben uns bundesweit sowie in Mülheim immerhin leicht verbessert und einen guten Wahlkampf geführt.“ Das Wahlergebnis insgesamt sei für ihn dennoch ernüchternd: „Es ist eine unschöne Sache, dass mit der AfD eine rechtspopulistische Partei in den Bundestag einzieht.“ Nach einem kurzen Abstecher ins Mülheimer Rathaus verschlug es ihn auf die Essener Wahlparty der Linken.

„Wir zeigen klare Kante gegen die AfD und werden nicht zulassen, dass Menschen ausgegrenzt werden“, stellt der 21-Jährige klar, der ohne Listenplatz antrat. Überrascht habe ihn, dass Astrid Timmermann-Fechter (CDU) sehr nah an Arno Klare (SPD) heranrückt. „Viele Bürger sind mit der Politik der SPD unzufrieden, da sie wichtige soziale Themen vernachlässigt hat“, meint Scheffler. Am Montag will er die Wahlergebnisse genauer analysieren und sich dann wieder seinem Studium widmen.

Die FDP

„Jubel? Ja klar!“ Der Mülheimer Kandidat Joachim vom Berg strahlt angesichts der mehr als zehn Prozent, mit denen seine FDP bundesweit wieder rechnen kann. „Ich habe es ja 2013 erlebt, wie die Partei am Boden war, total deprimiert. Zweistellig ist schon echt irre.“

Für ihn persönlich mit Listenplatz 35 wird es für ein Mandat zwar nicht reichen, dazu hätten es 14, 15 Prozent werden müssen, schätzt vom Berg. Aber dass es gelungen sei, die FDP innerhalb von vier Jahren komplett zu erneuern („wir waren ziemlich verstaubt“), sei schon „Wahnsinn“. Und dafür habe auch er hart gekämpft. Für ihn geht die Reise nun nicht nach Berlin, sondern in den Schwarzwald-Urlaub. Gleich am Montagmorgen.

Die AfD

Er wolle sich in den kommenden Tagen das Ergebnis und die Verteilung auf die Wahlbezirke genau anschauen, sagt Alexander von Wrese. Das Resultat zeige aber schon, dass man auf dem richtigen Weg sei. Von Wrese sagt von sich selbst, auf einen sachlicheren Duktus zu setzen als eine Vielzahl seiner Parteifreunde in anderen Landesverbänden. „Ich versuche, auf Polemik zu verzichten.“